Was können Kirchengemeinden tun, um nachhaltiger zu werden? Wie können sie dem Klimawandel begegnen? An welchen Stellen können sie Energie sparen? Fragen wie diese interessierten Landesbischof Ralf Meister auf seiner Klimatour im Kirchenkreis Aurich am 14. Juli. Er besuchte zwei Gemeinden und eine Diakonie-Tagespflege.
In der Kirchengemeinde Victorbur sah sich Meister das neue Gemeindehaus an: Es wurde im Februar 2022 eingeweiht und wird komplett mit Erdwärme beheizt. Der Landesbischof tauschte sich mit Pastorin Andrea Düring-Hoogstraat, Architekt Norbert Freitag und Mitgliedern des Kirchenvorstands über den Bau und die Entscheidungen aus, die dabei getroffen wurden: „Mich interessiert, wer die Akteure vor Ort sind, die solche Entwicklungen vorantreiben.“
Deutlich wurde, dass in den Gemeinden ein hoher Bedarf an Fachexpertise besteht. „Insbesondere in der aktuellen Situation brauchen wir Beratung rund um die Energietechnik“, sagte Meister. „Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es sinnvoll ist, solche Beratungen zentral über die Landeskirche zu regeln, oder ob sich Vereinbarungen besser vor Ort im kleinen Kreis treffen lassen.“
Superintendent Tido Janssen wies darauf hin, dass Gemeinden wissen müssten, auf welche Standards die Landeskirche dabei Wert lege. „Viele Kirchen bräuchten eine Beratung vor Ort – nicht nur, wenn es um neue Technik geht, sondern auch, um Potenziale für das Energiesparen auszuloten.“
Im gemeinsamen Gespräch zeigte sich auch, dass oft auch schon kleine Schritte viel bewirken können: etwa die Temperatur in der Kirche im Winter etwas abzusenken und stattdessen Decken oder beheizbare Sitzkissen anzubieten. „Jedes Grad weniger bringt schon eine Menge“, sagte Meister.
"Das ist ein ethisches Dilemma"
Die nächste Station war die Diakonie-Tagespflege „Am Haus Els“ in Großefehn. Sie wurde im Ortszentrum als Zwillingshaus an ein Gemeindehaus angebaut und wird klimafreundlich über eine Wärmepumpe beheizt. Nicht ganz so klimafreundlich war allerdings das Thema, um das es bei dieser Station ging: der Torfabbau in der benachbarten Gemeinde Marcardsmoor. Lebende Moore speichern Kohlenstoff. Werden sie entwässert, stoßen sie große Mengen Kohlendioxid und weitere klimaschädigende Gase aus – und das umso schneller und stärker, wenn sie abgebaut werden.
Im Dorf gab es lange eine Spaltung zwischen Gegnern und Befürwortern des Torfabbaus, sagte Superintendent Janssen: „Die einen fürchten, dass das Dorf regelrecht weggebaggert wird – und die anderen profitieren, weil sie die Flächen besitzen.“ 2016 brachte ein Kompromiss wieder mehr Frieden in den Ort. Daran war auch die Kirche beteiligt: Es wurde Land getauscht und es sollte insgesamt weniger Torf abgebaut werden. „Die Kirche hat Flächen für den Tausch zur Verfügung gestellt, auf denen Torf abgebaut werden soll“, sagte Janssen.
Noch vor sechs Jahren habe das als guter Kompromiss gegolten. „Heute würde man das womöglich anders bewerten“, sagte der Superintendent. „Ist es überhaupt legitim, Flächen zur Verfügung zu stellen, wenn Moore ein großer CO2-Speicher sind?“ Der Konflikt um den Torfabbau hätte das Dorf damals fast zerrissen. „Hätten wir uns nicht beteiligt, hätten wir die Spaltung noch verstärkt. So aber haben wir dazu beitragen, die Flächen für den Anbau zu vergrößern und haben uns zum Teil des Systems gemacht.“
Das sei eine typische Situation für ein ethisches Dilemma, sagte Ralf Meister. In manchen Situationen gäbe es keine gute Lösung und man müsse abwägen. Dabei sei es auch eine wichtige Frage, um wie viele Flächen es sich handele und wie groß der Einfluss auf den Klimawandel tatsächlich sei.
Der Weg zur letzten Station der Klimareise, der Kirchengemeinde Aurich-Middels, führte mitten durch das Torfabbaugebiet. Dort konnte sich Ralf Meister während der Fahrt einen eigenen Eindruck der Gebiete verschaffen, in denen noch Torf abgebaut wird.
"Warten Sie nicht auf die Landeskirche"
Eine Besonderheit in der Kirchengemeinde Aurich-Middels ist es, dass sie seit sieben Jahren eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Gemeindehauses hat. Diese wurde der Gemeinde ohne Kosten durch ein Gemeindemitglied zur Verfügung gestellt. In drei Jahren soll sie der Gemeinde geschenkt werden.
Die Anlage befindet sich auf dem Dach des Pfarrhauses, weil es aus Gründen des Denkmalschutzes nicht möglich war, sie auf dem Dach der Kirche zu installieren. Die Gemeinde bemühe sich insgesamt darum, Energie zu sparen, sagte Silke Mackensen, Kirchenvorsteherin und Baubeauftragte der Gemeinde. „Aber es ist oft schwierig, Energie bei Bestandsgebäuden einzusparen.“ Das sei etwa bei der Kirche der Fall, die sich nicht effizient dämmen lasse. Die Gemeinde wechselt deshalb schon seit einigen Jahren im Januar und Februar für den Gottesdienst in das Gemeindehaus.
Dennoch sei aktuell eine Lösung für den Winter gefordert, etwa für die Weihnachtszeit. „Wir beheizen die Kirche mit Heizöl, was einfach nicht mehr bezahlbar ist“, sagte Pastor Walter Uphoff. Eine Idee seien etwa beheizbare Sitzkissen, wie auch andere Gemeinden sie bereits geordert hätten. „Allerdings ist die Frage nach Wärme in der Kirche auch ein emotionales Thema“, sagte er. „Es kommen sowieso nicht mehr so viele Menschen zum Gottesdienst – und dann ist es auch noch kalt.“ Er äußerte die Sorge, Besuchende zu vertreiben.
Ralf Meister betonte, wie wichtig es auf dem Weg zu Lösungen sein könne, das Bestehende zu optimieren und als Gemeinde intensiv über kreative Lösungen nachzudenken. „Wenn das Gemeindehaus geheizt, aber nicht voll genutzt wird, könnte man zum Beispiel dem Sportverein einen Raum anbieten, damit der sein Vereinsheim nicht heizen muss“, sagte er. „Solche Zusammenarbeit funktioniert auf dem Land besser als in der Stadt.“ Denkbar sei es auch, Veranstaltungen zusammenzulegen, die sonst an verschiedenen Tagen stattfänden, um das Gemeindehaus nur einmal heizen zu müssen.
Im Gespräch entwickelte sich auch die Idee, dass mehrere Gemeinden sich zusammentun könnten, um etwa gemeinsam bessere Bedingungen für den Kauf von beheizbaren Sitzkissen auszuhandeln. „Entwickeln Sie Lösungen vor Ort und warten Sie nicht auf die Landeskirche“, ermutigte Meister die Gemeindemitglieder.