Brelingen – ein kleiner Ort voller Klänge

Im „Landmusikort“ Brelingen spielt Weihnachten eine besondere Rolle
Eine Gruppe Kinder singt, vorne steht ein Adventskranz.
Bild: epd-bild/Stefan Heinze

Elf Dörfer hat der Deutsche Musikrat in diesem Jahr als „Landmusikort“ ausgezeichnet. Eines davon ist Brelingen in Niedersachsen. Rund 2.200 Menschen leben hier. Und jeder Zehnte macht Musik. Zu Weihnachten sind alle besonders gefordert.

Brelingen/Region Hannover. Am Anfang muss erst einmal die Stimme in Form kommen. „Sss-ta, tsch-ta“, schallt es durch den Raum. „Wo-wo-wo“ in drei Tönen aufsteigend, und „Da-da-da“ wieder hinunter. Es ist Abend, der Jugendchor probt im Gemeindehaus. Chorleiterin Sabine Kleinau-Michaelis sorgt dafür, dass die Jugendlichen den Stress des Alltags abschütteln. Im ganzen Saal haben sie sich verteilt. Arme hoch und wieder hinunter, Hände strecken. Und dann ein dreistimmiges „Nooooh.“ Denn Weihnachten steht vor der Tür, und dann sind im Musikdorf Brelingen nördlich von Hannover die Chöre mit ihren Liedern gefragt. „Weihnachten ohne Singen kann ich mir gar nicht mehr vorstellen“, sagt Silja Debuan (18) aus dem Sopran.

Brelingen und die Musik - das ist eine ganz besondere Geschichte. Von den 2.200 Einwohnern des Dorfes macht jeder zehnte Musik, spielt ein Instrument in einem Ensemble oder singt in einem Chor. „Also – warum sich nicht für das Förderprogramm ‚Landmusikort des Jahres‘ des Deutschen Musikrates bewerben?“, fragten sich Chorleiterin Sabine Kleinau-Michaelis und Maren und Jörg Eikemeier, Hans-Jürgen Weiß, Lisa Sacht und Bettina Arasin. Sie riefen eine kleine Projektgruppe ins Leben, machten sich ans Werk und schrieben eine Bewerbung an den Deutschen Musikrat. Der Bewerbungsaufwand war erheblich: Alle musikalischen Gruppen, alle Kooperationen, kreativen Ideen und Altersgruppen – vom Laienchor bis zur Profigruppe, gingen in die Darstellung der Musikszene in Brelingen ein.

Rasselbande und Spatzen

Und das kleine Team hatte Erfolg: Ende April kam die Nachricht, dass Brelingen als Preisträger für das Land Niedersachsen gekürt worden war. Ausgelobt war ein Preisgeld von 8.000 Euro; zudem darf das Dorf sich jetzt gemeinsam mit neun weiteren Kommunen aus verschiedenen Bundesländern „Landmusikort 2024“ nennen. Matthias Möhle vom niedersächsischen Musikrat zeigte sich begeistert, als er die Auszeichnung überbrachte: „Brelingen schafft es, einen großen Anteil seiner Bevölkerung zu aktivieren, um musikalische Momente zu schaffen.“

Seit 25 Jahren betreuen Sabine Kleinau-Michaelis und ihre Kollegin Maren Eikemeier die Chöre in der der evangelischen Kirchengemeinde. Nicht nur einen Chor gibt es hier, sondern gleich sechs. Die Jüngsten fangen schon in der „Rasselbande“ an und steigen dann zu den „Spatzen“ auf. Dann übernimmt der Kinderchor, der Mittelchor, der Jugendchor und schließlich der Erwachsenenchor. Rund 170 Menschen bringen die beiden Frauen so zum Singen. Die Abiturientin Silja ist schon lange dabei: „Man kann hier nie zu alt werden für einen Chor und auch nie zu jung dafür sein“, erzählt sie.

Eine Frau am Klavier dirigiert.
Bild: epd-bild/Stefan Heinze
In dem 2.200-Einwohner-Dorf macht jeder Zehnte in unterschiedlichen Gruppen aktiv Musik, viele davon in den Chören der evangelischen Kirche.

Doch in Brelingen spielt die Musik nicht nur bei den Chören. Rund 30 Bläser spielen im Posaunenchor, und im Dorf gibt es zudem eine Trommelgruppe, eine Akkordeongruppe, ein Männergesangverein und einen Kreis für keltische Musik. Anlaufstelle für viele ist das Kulturzentrum „Brelinger Mitte“, ein umgebautes Restaurant gleich gegenüber der St.-Martini-Kirche. In der kalten Jahreszeit werden hier und in der Kirche hochkarätige Jazz-Konzerte veranstaltet: beim „Winterjazz Brelingen“. Der Bürgermeister der Gemeinde Wedemark, Helge Zychlinski (SPD), ist stolz auf so viel Engagement: „Gerade zur Weihnachtszeit wird spürbar, wie Musik Menschen verbindet und Gemeinschaft schafft.“

Das empfindet auch Mila Markert (14) aus dem Jugendchor so. „Es ist fast schon ein Familiengefühl“, erzählt sie und schwärmt von Chorfreizeiten: „Es schweißt zusammen, wenn man in einem Zimmer schläft und zusammen Abendbrot isst.“ Enna Schwiening (13) freut sich über ihre musikalischen Fortschritte: „Schon krass, wie sich meine Stimme verändert hat.“ Und Frederika Barth (13) sagt über die Menschen in Brelingen: „Du kannst in jedes zweite Haus gehen, klingeln und fragen: Wer macht bei irgendwas mit? Und sie werden ja sagen.“

Kinder auf dem Flughafen
Bild: Andrea Hesse
Flashmob im Flughafen Langenhagen im Dezember 2022 mit Brelinger Chorsängerinnen und Chorsängern. Ganz links: Chorleiterin Sabine Kleinau-Michaelis.

Musik sorgt für ein Familiengefühl

Das empfindet auch Mila Markert (14) aus dem Jugendchor so. „Es ist fast schon ein Familiengefühl“, erzählt sie und schwärmt von Chorfreizeiten: „Es schweißt zusammen, wenn man in einem Zimmer schläft und zusammen Abendbrot isst.“ Enna Schwiening (13) freut sich über ihre musikalischen Fortschritte: „Schon krass, wie sich meine Stimme verändert hat.“ Und Frederica Barth (13) sagt über die Menschen in Brelingen: „Du kannst in jedes zweite Haus gehen, klingeln und fragen: Wer macht bei irgendwas mit? Und sie werden ja sagen.“

Schon mehrere junge Familien seien wegen des musikalischen Lebens nach Brelingen gezogen, erzählt Chorleiterin Sabine Kleinau-Michaelis. Ihr Erfolgsgeheimnis mit den Jugendlichen: „Wir nehmen sie und das Singen sehr ernst“, sagt die 65-jährige studierte Musikpädagogin, die nebenamtlich tätig ist. Und ganz wichtig: „Authentisch bleiben, nicht anbiedern, kontinuierlich arbeiten. Einfach da sein und auch ihre Sorgen hören.“ So kann sie die Teenager für vielfältige Projekte begeistern, die von klassischer bis zu populärer Musik reichen: Konzerte, Musiktheater, Auftritte im Gottesdienst oder Flashmobs am nahen Flughafen.

„Gerade zur Weihnachtszeit wird spürbar, wie Musik Menschen verbindet und Gemeinschaft schafft.“
Brelingens Bürgermeister Helge Zychlinski

Vor allem an Weihnachten kommt vieles zusammen. „Weihnachten bringt so ein bisschen Magie rein, mit dem vielen Kerzenlicht“, sagt Mila. Und Mitja Bochmann (17) freut sich darauf, vor großem Publikum zu singen: „An Weihnachten ist die Kirche immer voll. Es werden sogar Leute rausgeschickt, weil sie nicht mehr reinpassen.“ Unter großem Hallo stimmen die Jugendlichen am Ende der Probe ein irisches Weihnachtslied an, das sie besonders mögen: „Christmas is coming, the goose is getting fat. Hey, put a penny in the old man's hat.“ Sie haben es lange geübt, die Stimmen sitzen. Die Chorleiterin schaut zufrieden. Das Fest kann kommen.

Kinder singen in einem Chor.
Bild: Andrea Hesse
Die Jungen Chöre aus Brelingen singen im Festgottesdienst 175 Jahre Brelinger Kirche.
Michael Grau (epd) und Andrea Hesse