Auf dem Wasser oder in der Disco: heiraten beim Kirchentag

Eine weiblich und eine männlich gelesene Person in Hochzeitsoutfits auf einem Boot auf dem Wasser von hinten zu sehen. Die eine Person reckt einen Blumenstrauß in die Höhe.
Bild: Emir Kaan Okutan von Pexels

Kirchlich heiraten - das muss nicht lang im Voraus geplant und teuer sein. Der Deutsche Evangelische Kirchentag in Hannover bietet für Trauwillige einen besonders attraktiven Rahmen: Am Sonnabend, 3. Mai, legen von 18 bis 22 Uhr zwei Schiffe der Maschseeflotte im Halbstundentakt ab. Alle, die ihre Liebe unter göttlichen Segen stellen wollen, könnten dann spontan zusteigen, sagt Pastorin Claudia Maier von der neu gegründeten Segensagentur „Sozusegen“. Viele Paare hätten sich bereits angemeldet, weitere könnten spontan dazukommen.

Zeit und Platz gebe es für insgesamt 40 Paare, bis zu zehn Personen dürften jeweils mitkommen. Auf Wunsch könne die Segnung auch als kirchliche Trauung anerkannt werden, sagt Maier - dann müsse eine Urkunde über die standesamtliche Trauung vorliegen. Alle Angebote der Segensagentur sind nach Angaben der Pastorin kostenlos und auch Menschen, die nicht Mitglied einer Kirche sind, könnten sich an die Agentur wenden. Selbstverständlich seien alle Angebote offen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Eine Gruppe steht vor einem See. Drei davon sind als Frauen lesbar, einer als Mann.
Bild: Carolin Schlange
Pastorin Kristin Köhler (links), Pastorin Claudia Maier (rechts) und Almut Maßmann (Zweite von rechts) von „Sozusegen“ mit Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes am Maschsee.

Am Freitag, 2. Mai, ebenfalls während des Kirchentages, bietet die Kirchengemeinde in Burgdorf in der Region Hannover einen mindestens genauso ungewöhnlichen Rahmen für Trauungen an: ein Hochzeitsfestival in der lokalen Disco „Black Horse“. Es gebe bereits einige Anmeldungen, sagt Initiator Valentin Winnen. Die Social-Media-Posts zur Disco-Hochzeit von ihm und seiner Kollegin Louisa Pandera würden zudem extrem gut geklickt und verteilt: „Wir haben gerade noch ein zweites Video aufgenommen, um gerade die anzusprechen, die sich kurzfristig entscheiden - und das werden bei diesem Format die meisten Menschen sein.“ 

Ein kirchliches Hochzeitsfestival inklusive Catering habe seines Wissens nach noch nicht gegeben. „Wir wollen uns als Kirche mit diesem Angebot einfach möglichst an den Bedürfnissen der Menschen orientieren“, sagt der Burgdorfer Pastor. „Dass wir gleich die ganze Party mit organisieren, ist unser erster Versuch.“

Catering, Fotograf, Location - alles ist schon vorbereitet und kann spontan in Anspruch genommen werden. Mit einer Fundraising-Aktion ist Geld zusammengekommen, das die Miete für Disco, Nebelmaschine, lustige Sprühfontänen und vieles mehr abdeckt. Die Traupaare sind sogar zu einem Getränk und einer Pizza eingeladen. Was ihre Gäste darüber hinaus essen und trinken, zahlen die Traupaare dann selbst.

Im kleinen oder großen Rahmen - Segen ist immer dabei

Neben der flexibleren Ortswahl sei vielfach auch der Planungshorizont durchaus kleiner als angenommen, sagt Winnen: „Wir bieten bei Tauffesten immer die Möglichkeit der „Drop in“-Taufe an - also Zeitfenster für Menschen, die spontan vorbeikommen.“ Zuletzt sei das bei etwa einem Drittel der Täuflinge der Fall gewesen, sagt Winnen: „Natürlich ist dann vorher schon eine innere Überlegung abgelaufen und nur die Entscheidung dann spontan gefallen. Aber dass man alles lange vorher plant, scheint mir zumindest teilweise gesellschaftlich auf dem Rückzug.“

Die spontane Trauung sieht Winnen dabei ausdrücklich nicht als Gegenmodell zur individuellen Hochzeitsfeier mit anderthalb Jahren Vorlauf: „Die traditionellen Formen haben ganz klar ihr Zielpublikum. Wer die eine Variante wählt, würde gar nicht über die andere nachdenken. Es hängt auch ein Stück davon ab, wo man zu Hause ist. Denn natürlich spielen etwa auch lokale Traditionen immer eine Rolle.“

Bei Tauffesten böten durchaus viele Gemeinden Essen und Trinken an, auch flexible Tauforte seien immer häufiger. Die Idee, auch Hochzeiten nach einem Baukastenprinzip anzubieten, habe damit zu tun, dass Menschen ihr Leben zwar individuell gestalten, dennoch aber gern eine überschaubare Auswahl hätten, sagt Winnen: „Wir möchten aber unbedingt, dass alle Trauwilligen sich unter Gottes Segen stellen. Und dass auch Leute kommen können, die sich im Leben keine Hochzeit für einen fünfstelligen Betrag hätten leisten könnten.“ 

Individuell, spontan, anders: Kirche probiert sich aus

Wie sehr tanzt das Disco-Angebot tatsächlich aus der kirchlichen Reihe? Die Nordkirche etwa bietet schon seit geraumer Zeit auch Hochzeiten in Kneipen an. Und von Trauungen an anderen Orten weiß Valentin Winnen auch aus ganz anderen Zusammenhängen: „Ich habe als junger Pastor in Ostfriesland gearbeitet. Da haben mir Menschen erzählt, dass der Pastor sie früher noch zu Hause auf dem Sofa getraut hat.“

Hochzeitsfestivals gibt es jedenfalls schon länger. 2022 hat etwa die Burgdorfer Pankratius-Kirchengemeinde eine spontane Trauung am Schnapszahl-Datum 20.02.2022 angeboten - es kamen neun Paare. Die Marktkirche in Hannover hat ebenfalls schon mehrfach gute Erfahrungen mit Spontan-Traupaaren und Segenswilligen an besonderen Daten gesammelt.

Wenn es nach Anja Bremer geht, muss eine Trauung überhaupt nicht zwingend in einer Kirche stattfinden: „Mir ist wichtig, dass kirchliche Trauungen an beinahe jedem Ort stattfinden können“, sagt die Pastorin, die sich seit vielen Jahren um neue, frische Angebote für kirchliche Kasualien wie Taufe, Beerdigung und Hochzeit bemüht. „Das wissen die Menschen manchmal nicht und schätzen Kirche da falsch ein.“ Bremer und andere Pastorinnen und Pastoren gingen aber ganz bewusst mit den Menschen an deren Orte, sagt sie: „Dafür brauchen sie keine freie Rednerin und keinen freien Redner. Wir gehen als Kirche mit!“

Auch der Kirchenkreis Grafschaft Diepholz bietet im Mai zum zweiten ein spontanes Hochzeitsfestival an. Pastorin Juliane Worbs fasst ihre Motivation knackig zusammen: „Gottes Segen braucht keine große Vorbereitung und wirkt trotzdem!“

Alexander Nortrup