Das Evangelium barrierefrei zugänglich machen
„Gott“ ist in der Gebärdensprache eine einfache, aber tiefgründige Geste: drei Finger der rechten Hand zeigen nach oben, wie zum Zeichen der Dreifaltigkeit. Ring- und kleiner Finger bleiben an den Handballen geklappt. „Das ist meine Lieblingsgebärde, komplexe Theologie in einer Geste“, sagt Inna Rempel mit einem Lächeln. Die Pastorin hat gemeinsam mit einem Drehteam des Evangelischen Kirchenfunks (ekn) und mit viel Freude die Wochensprüche der Bibel in Gebärdensprache aufgenommen.
Auf dem Youtube-Kanal der Landeskirche Hannovers sowie Facebook, Instagram und X werden sie jeden Sonntagabend ausgespielt – mit bisher mäßigen Klickzahlen, doch um die geht es in diesem Fall auch nicht. „Wir möchten einen barrierefreien Zugang zum Evangelium ermöglichen. Auch nicht-hörende Menschen sollen sie wahrnehmen können“, sagt Inna Rempel über die Neuauflage der Video-Reihe. „Durch die Gebärden kann man die Bibelworte zudem nicht nur lesen oder hören, sondern auch sehen und – im besten Fall – fühlen. Sie sind eine Botschaft der Inklusion und Teilhabe, die die Vielfalt in unserer Kirche unterstreicht.“
Inna Rempel selbst lernte die Gebärdensprache aus persönlichen Gründen: Ihr Sohn hat Trisomie 21 und kann zwar hören, doch zur Unterstützung der Kommunikation wurde den Eltern geraten, Gebärden zu nutzen. So lernte Inna Rempel erste Worte, machte die ersten Erfahrungen. Als später in der pastoralen Ausbildung die Spezialisierung der Gebärdenseelsorge vorgestellt wurde, war Inna Rempel gleich begeistert. Denn ein Erlebnis hatte sie zudem aufgewühlt: bei einer Seelsorge-Übung im Krankenhaus wurde ihr gesagt, dass sie ein bestimmtes Zimmer nicht besuchen müsse – die Frau darin könne nicht hören. „Und deshalb übergehen wir sie, lassen sie wortwörtlich linksliegen?“, fragte sich Inna Rempel zweifelnd. Das wollte sie nicht akzeptieren - nahm sich Stift und Papier und verständigte sich dennoch mit der Frau.
Heute ist sie gemeinsam mit acht weiteren Pastorinnen und Pastoren in Niedersachsen mit Gebärdenseelsorge beauftragt: Sie gestalten Veranstaltungen, geben Konfirmandenunterricht, begleiten gebärdende Menschen und ihre Angehörigen seelsorglich. Und die Pastorinnen und Pastoren halten natürlich Gottesdienste – „aber wie viele sind das, vielleicht zwei im Monat pro Seelsorgendem. Wer an so einem Gottesdienst teilnehmen will, muss oft ein gutes Stück fahren. Während es dagegen jeden Sonntag quasi in jeder Kirche Gottesdienste für Hörende gibt“, so Rempel. „Da ist noch Luft nach oben. Leider ist auch die Leitung der Gebärdenseelsorge noch vakant. Und generell bräuchten wir natürlich mehr Kolleginnen und Kollegen mit dieser Ausbildung. Am allerbesten wäre aber, wenn jeder Mensch, zum Beispiel in der Schule, Gebärden lernen würde. So wäre niemand ausgeschlossen!“
Kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eingeladen, auf die Angebote der Gebärden-Seelsorge zurückzugreifen. Und alle Social-Media-Nutzenden können die Videos ansehen, teilen und in die Welt tragen.