Happy B-Day – Brief mit Segen im KI-Design
Wenn Lilian Gutowski sich auf den Weg zu Kirchenkreisen macht, hat sie immer einen Stapel Post dabei. Statt Rechnungen und Behördenschreiben bringt sie gute Wünsche zum 14. Geburtstag mit. „Liebe Lena, unsere guten Wünsche zusammen mit Gottes Segen gehen raus an Dich“, steht auf einer Karte, die sie auf den Tisch im Gemeindehaus legt. Auf der Vorderseite erstrahlt eine Kirche in poppigen KI-Design. „Happy B-Day“ steht in weißer Blockschrift daneben. Unterschrieben hat die Karte Matthias Weindel, Lenas Pastor in der Stadtkirchengemeinde Wolfsburg, und er hat auch ein Geburtstagsgeschenk für Lena: zwei Kinogutscheine, die sie in einem Wolfsburger Kino einlösen kann. Das Geschenk bestimmte der Kirchenkreis dabei selbst.
Die Resonanz der Jugendlichen auf diese Kirchenpost ließ nicht lange auf sich warten. 14 Prozent aller Jugendlichen lösten ihr Geschenk ein. Im Kirchenkreis Harzer Land reagierten sogar 44 Prozent der Jugendlichen auf die Post. „Bis auf eine Ausnahme waren es dazu Jugendliche, die bisher keinerlei Kontakt zur Gemeinde suchten“, berichtet André Dittmer, Pastor in Clausthal-Zellerfeld. „Durch die Kirchenpost kamen sie plötzlich auch zum ersten Mal ins Büro der Diakonin und redeten mit ihr.“ Darauf kann man aufbauen, freut er sich. Im Gespräch bleiben. Zeigen, wofür Kirche steht. Und das bald auch digital. Denn die Hälfte der Jugendlichen meldeten sich auch für die digitale Kirchenpost an. Das heißt: Sie können zukünftig auch per E-Mail kontaktiert werden. Um neue Angebote des Kirchenkreisjugenddienstes vorzustellen, zu Sommerfreizeiten einzuladen, oder auch zu ganz persönlichen Anlässen Segenswünsche von der Gemeinde zu erhalten. „Das Ziel ist bei allem, Menschen durchs Leben zu begleiten und sie auf Angebote hinzuweisen, die für sie in einem bestimmten Lebensabschnitt wichtig sein können“, erklärt Lilian Gutowski. Dazu gehörten auch die Kasualien wie Taufe und Konfirmation. Denn sie erfüllten eine starke Sehnsucht der Menschen: Segen, Zuspruch und den Glauben zu erleben.
Der Wunsch auch nach einem digitalen Kontakt sei dabei tatsächlich bei vielen Kirchenmitgliedern groß, fügt die Referentin hinzu: „Das zeigte sich bei der Kirchenvorstandswahl 2024. Denn mit dem Versand der Wahlunterlagen haben wir alle Kirchenmitglieder eingeladen, sich für die digitale Kirchenpost anzumelden. 11.000 Menschen folgten der Einladung und erhalten jetzt seit 2024 in einem ersten Schritt mehrmals jährlich einen exklusiven Kirchenpost-Newsletter. Die Öffnungsrate liegt mit 63 Prozent pro Newsletterausgabe weit über dem Durchschnitt von knapp 25 Prozent“, freut sich Gutowski.
Die Erwartungen sollten bei allem Erfolg trotzdem aber auch realistisch bleiben, rät sie: „Es werden wahrscheinlich nicht mehr Menschen in den Gottesdienst kommen durch die Kirchenpost. Es wird auch nicht so sein, dass man sich plötzlich vor Anfragen Ehrenamtlicher nicht mehr retten kann.“ Entscheidend für den Erfolg der Kirchenpost sei vielmehr: „Unsere Post ist erwartungslos. Sie fordert zu keiner Aktion auf. Sie sagt nur: Schön, dass es Dich gibt. Wir denken an Dich, feiern Dich und begleiten Dich durch Dein Leben.“ Genau darum gehe es: Die Kernbotschaft von Kirche in den Alltag zurückzuholen. Daran zu erinnern, „dass wir eine christliche Gemeinschaft sind und jede und jeder darin gleichermaßen geschätzt und willkommen ist.“ Dazu gehöre auch, zu respektieren, wenn jemand keine Angebote nutzt.
Der Wunsch, dass die Kirchenpost ab 2025 bald alle Mitglieder erreicht, ist aber auch mit dieser Erwartungshaltung groß bei den Kirchenkreisen. „Denn bisher haben wir nur 14 - 18-Jährige angeschrieben“, erklärt Lilian Gutowski. „Bis Ende 2024 haben wir als Landeskirche auch nach Beendigung der Pilotphase die Kirchenkreise dabei weiterhin unterstützt - durch die Übernahmen der Portokosten oder die Aufbereitung und Abwicklung über die Deutsche Post.“ In Gesprächen reflektierten die Kirchenkreise aber auch selbstkritisch, dass die Mailings an Jugendliche nur ein Anfang sein können. Denn nach wie vor würden nur durchschnittlich 15 Prozent aller Mitglieder von ihnen angeschrieben, erzählt Gutowski. Meist seien es Menschen, die der Kirche sehr verbunden sind, sich ehrenamtlich engagieren oder aber 70 Jahre und älter sind.
Vielen Mitgliedern seien die Angebote ihrer Kirche vor Ort so gar nicht mehr bekannt. Das betreffe gerade auch neue Angebote, die die Lebenswelten der Kirchenmitglieder neu in den Blick nehmen. Die Ideen der Kasualagenturen seien ein gutes Beispiel dafür. Ob ein Segen-to-Go, Pop-Up-Trauungen an einem Schnapszahldatum oder Tauffeste, zu denen jede und jeder spontan dazu kommen kann. „Auf diese Angebote sollte man – je nach Anlass – mit der Kirchenpost auch hinweisen“, rät Gutowski. „Denn sie erreichen auch jene, die nur einen losen Kontakt zu Kirche suchen.“
Dass viele Menschen trotz ihrer Distanziertheit in ihrem Glauben auch begleitet werden wollen und Informationen zu Angeboten erhalten möchten, war für die Kirchenkreise die größte Überraschung in der Pilotphase. In dreistündigen Workshops zeigte Lilian Gutowski so unterschiedliche Gruppen von Kirchenmitgliedern auf – und ihre unterschiedlichen Erwartungen an Kirche. „Das löste eine richtige Welle aus“, erinnert sie sich. Schnell folgten weitere Termine. Mit Diakoninnen und Diakonen, beim Kirchenamt oder in der Kirchenkreissynode. Und schnell entstanden auch eigene Ideen. Ob die Vernetzung mit der örtlichen Feuerwehr, der Segen-to-Go auf dem Marktplatz, Glückwunsch-Karten zur Geburt eines Kindes mit einem Würfel gefüllt mit Vergissmeinnicht-Samen oder die Umgestaltung des Gemeindebriefs zum Stadtteilmagazin.
Für die Fortsetzung der Kirchenpost wurden aber auch elementare Fragen beleuchtet: Was müssen Gemeinden an Aufwand für die Kirchenpost einplanen? Welche Angebote gibt es vor Ort, auf die man hinweisen kann und welche Angebote müssen eventuell neu gedacht werden? Wer antwortet Mitgliedern, wenn sie sich melden? Und ist die Mitgliederkommunikation dauerhaft leistbar für Gemeinden? „Das Ergebnis war recht eindeutig“, fasst Lilian Gutowski zusammen. „Alle Kirchenkreise haben sich eindeutig für die Fortsetzung der Kirchenpost ausgesprochen. Vor allem die Altersgruppen der 0 - 35-Jährigen müssten als Nächstes in den Blick genommen werden, da hier vielerorts weiße Flecken in der Kommunikation seien.“ Deutlich wurde aber auch, dass die notwendigen Kosten und zeitlichen Ressourcen für diese breite Mitgliederkommunikation für Gemeinden in Eigenregie kaum stemmbar sind.
Für die Landeskirche Hannovers bleibt das Thema umso wichtiger. So wurde die Kirchenpost im Zukunftsprozess zum Schwerpunktthema erklärt. Im Frühjahr 2024 erteilte die Landessynode dem Landeskirchenamt darüber hinaus den Auftrag, ein Konzept zur Fortsetzung und Finanzierung der Kirchenpost vorzulegen. Auf der diesjährigen Herbstsynode wird über dieses beraten. Auf der Agenda stehen dabei unter anderem die Einführung eines CRM-Systems, mit dessen Hilfe eine automatisierte Kommunikation und Mitgliederpflege ermöglicht wird, der Aufbau eines Mitgliederportals oder die Entwicklung weiterer Druckvorlagen und E-Mail-Templates für die Kirchenpost-Mailings. „Wir möchten spätestens in sieben Jahren alle Mitglieder mindestens einmal jährlich analog oder digital zu den Themen kontaktieren, die sie persönlich interessieren. Welche das sind, bestimmen Mitglieder selbst“, umreißt Lilian Gutowski die Panung. Für sie steht dabei außer Frage: Die Kirchenpost ist mehr als nur ein netter Gruß per Postkarte oder E-Mail. „Sie ist ein Türöffner, ein wichtiger Multiplikator für alle kirchlichen Themen und eine große Chance, mit Mitgliedern wieder ins Gespräch zu kommen und eine dauerhafte Beziehung zueinander aufbauen.“