Der durch einen Brand schwer beschädigte Turm von Bremerhavens ältester Kirche, der evangelischen Dionysiuskirche im Stadtteil Wulsdorf, soll, nach historischem Vorbild, wieder aufgebaut werden. Die Kosten dafür übernehme die Versicherung. Außerdem habe eine Stiftung 100.000 Euro für die Beseitigung von Brandschäden zugesichert. Wo wird so lange Gottesdienst gefeiert?
Bremerhaven. Die Ereignisse der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober belasten Annegret Warnecke noch immer. „Das ist ein Alptraum", sagt die Vorsitzende des Kirchenvorstands der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Wulsdorf. Zwei Nächte lang hat sie kaum geschlafen.
Was an der Straße "Am Jedutenberg" geschah, konnte Warnecke nur aus der Ferne über WhatsApp-Nachrichten der Anwohner verfolgen – die Polizei hatte das Gebiet aus Sicherheitsgründen weiträumig abgesperrt. Die Menschen mussten in ihren Häusern bleiben. Fotos und Nachrichten zeigten den lichterloh brennenden Turm der alten Wehrkirche, deren Anfänge bis ins Jahr 885 zurückreichen. Der Brand ist nach Angaben der Polizei wohl auf einen technischen Defekt zurückzuführen.
Bei Eintreffen der Einsatzkräfte wurde eine massive Rauchentwicklung sowie Flammenschein im Kirchturm einer Kirche festgestellt. Umgehend wurden Löschmaßnahmen eingeleitet und weitere Einsatzkräfte zur Einsatzstelle beordert. Nur wenige Minuten nach dem Eintreffen der ersten Einsatzkräfte schlugen Flammen aus dem Dach des Kirchturms und entzündeten den Dachstuhl vollständig und schlagartig. Ein Betreten des Kirchturms war zu diesem Zeitpunkt für die Einsatzkräfte aufgrund der Brandintensität nicht mehr möglich. Um das Übergreifen der Flammen auf das Kirchenschiff zu verhindern, wurden Einsatzkräfte zum Schutz in das Innere des Kirchenschiffs geschickt.
Die Höhe des Kirchturms und die rasante Brandausbreitung erschwerten die Löscharbeiten erheblich. Dank des schnellen und umsichtigen Einsatzes der Feuerwehr Bremerhaven konnten jedoch historisch wertvolle Gegenstände aus dem Kirchenschiff gerettet und der Küsterin übergeben werden. Der entschlossene Einsatz zeigte Wirkung: Das Kirchenschiff blieb unversehrt. Gegen 2 Uhr konnten die ersten Einsatzkräfte aus dem Einsatz entlassen werden. An der Einsatzstelle wurde eine Brandsicherheitswache eingerichtet, die bis in die Morgenstunden des vergangenen Mittwochs blieb.
Schaden noch unbekannt
Der Schaden kann noch nicht beziffert werden. Doch Dirk Tacke von der Bremerhavener Außenstelle des Amts für Bau- und Kunstpflege Verden ist sicher: „Alles, was aus Holz im Turm ist, ist wohl nicht mehr zu retten." Er ergänzt: „Es ist ein Verlust der historischen Zimmermannskunst." Am Samstag informierte sich auch Dr. Hans Christian Brandy, Regionalbischof des Sprengels Stade, vor Ort. Der Kirchenkreis Bremerhaven gehört zu seinem Zuständigkeitsbereich. „Es ist ein erschütterndes Bild", sagt Brandy.
Im hinteren Teil ist das Kirchenschiff eingerüstet. Auf dem Dach flattert blaue Folie, die das Dach vor herabfallenden Trümmerteilen schützt, erläutert Warnecke. Unklar war bisher, was mit zwei historischen Glocken passiert, die zum Uhrwerk gehören und noch im Turm hängen. „Sie sollen am Freitag durch zwei Kräne geborgen werden“, sagte Kirchenvorsteherin Warnecke. Die Glocken seien mit 130 und 80 Kilo zwar eher klein, aber wertvoll. In das Kirchenschiff ist den Angaben zufolge Löschwasser gelaufen, dadurch sind aber keine größeren Schäden entstanden. Hahn und Kreuz auf dem Kirchendach sind intakt.
„Mittlerweile konnte die Kirche wieder gesäubert, die Bänke gesichert werden. Das ging schnell, darüber sind wir sehr froh“, betonte Warnecke. Auch die Orgel habe den Brand gut überstanden. Wichtig sei jetzt, dass der Kirchenraum langsam getrocknet werde. Unklar sei nach wie vor, wie hoch der Gesamtschaden sei. „Das wird noch Wochen dauern, bis wir Klarheit haben.“
Gottesdienst im Sportverein?
Erst dann wird sich zeigen, in welchem Maße das Kirchenschiff durch das Löschwasser beschädigt wurde. Tacke lobt die Vorsicht der Rettungskräfte: „Die Feuerwehr hat wirklich sehr gut gearbeitet." Aber nicht nur diese Schäden müssen untersucht werden, sondern auch die durch den Brandrauch. Tacke hofft, dass dieser nicht in die historische Orgel gezogen ist. Eine Fachfirma hat bereits mit den ersten Reinigungsarbeiten begonnen. Gleichzeitig leiten die Verantwortlichen alles für den Wiederaufbau in die Wege. Darüber berät der Kirchenvorstand zusammen mit Tacke bereits am Montag. Er informiert zudem darüber, dass es in Kürze ein Gespräch mit der Versicherung geben wird.
Stadtteil sorgt für Unterstützung
Gottesdienste können in der Kirche wohl auf längere Zeit nicht gefeiert werden. Bis zum Jahresende weicht die Gemeinde deshalb auf die Martin-Luther-Kirche im Stadtteil aus. Diese steht aber zum Verkauf. Daran werde sich laut Warnecke nichts ändern.
Für Licht sorgen die Menschen und Institutionen des Stadtteils. Hilfe haben darüber hinaus die katholische Gemeinde und der TSV Wulsdorf mit seinem Vereinsheim angeboten. Dort ist die Gemeinde gut vernetzt. „Das trägt unheimlich", freut sich Warnecke. Ob die Gemeinde darauf zurückgreift, ist noch unklar. Das alles sind für Annegret Warnecke die ersten Lichtblicke nach dem Schock des Brandes. Warnecke sagte: „Da ist viel Solidarität, die uns Auftrieb gibt.“