„Auf dem Platz stehen alle füreinander ein“

Auf einem Fußballplatz spielt jemand den Ball.
Bild: Alexander Nortrup

Die Fußball-EM läuft – und Nicolas Roters ist mittendrin. Der 24-Jährige kickte schon als kleiner Junge im Verein, auch in der Kirchengemeinde engagiert er sich seit vielen Jahren. Fußball und Kirche haben aus seiner Sicht viel gemeinsam.

Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) laden für heute, 11 Uhr, zu einem ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung der EM in die Kirche St. Michael in München ein, der unter dem Motto „United“ steht. Aus der Landeskirche Hannovers sind Diakonin Inga Rohoff (Arbeitskreis Kirche und Sport) sowie Popkantor Til von Dombois und Band beteiligt.

Deutschland ist gegen Schottland stark in die Fußball-EM gestartet, das runde Leder wird nun wochenlang alles beherrschen. Was kann dieser Sport aus Deiner Sicht gesellschaftlich und persönlich bewirken?

Nicolas Roters: Ich habe selbst erlebt, dass Fußball Menschen radikal verbindet: Man muss nicht die gleiche Sprache sprechen und ist trotzdem eng verbunden. Auf dem Platz werden viele Dinge ausgeblendet, etwa der soziale Status oder ob man eigentlich gerade eine schwierige Zeit hat. Mitunter kann man fast vergessen, wie viel Hass und Ausgrenzung es auf dieser Welt sonst gibt.

Das klingt beinahe ein bisschen zu schön, um wahr zu sein.

Roters: Vielleicht. Aber wenn es gut läuft, stehen auf dem Platz alle füreinander ein: Wenn der Mittelfeldspieler einen Fehler macht, bügelt ihn der Abwehrspieler aus. Ohne sich zu beschweren, einfach so.

Du setzt Dich für Jugendliche im Kreissportbund ein und engagierst Dich in der lokalen Kirchengemeinde. Wie kommt diese Kombination zustande?

Roters: Auf jeden Fall hat sie einen großen Teil meines Lebens geprägt. Ich habe eigentlich immer Fußball im Verein gespielt. Und ich bin seit der Konfirmation ehrenamtlich in der Kirche unterwegs. Beide Welten haben sich oft überschnitten: Auf kirchlichen Freizeiten habe ich viele Sportangebote gemacht, beim Konfi-Cup-Turnier mitgeholfen. Nach dem Abi habe ich dann beim Kreissportbund und der Kirchengemeinde parallel ein freiwilliges Jahr gemacht und unter anderem mit Jugendlichen über Werte gesprochen, in einem Stammtisch namens „fair pray“.

Eine als männlich gelesene Person im Fußball-Dress schnürt sich Fußballschuhe zu.
Bild: Alexander Nortrup
Nicolas Roters ist 24 Jahre alt, wohnt in Nordhorn und studiert in Osnabrück evangelische Religion und Biologie, um Lehrer zu werden. Von 2018 bis 2019 hat er ein freiwilliges Jahr bei Kreissportbund und lokaler Kirchengemeinde gemacht und parallel in der kirchlichen und sportlichen Jugendarbeit Seminare gegeben. Er spielt immer noch im Verein Fußball, wenn auch durch das Studium mit weniger Spiel- und Trainingszeit. Bis zur F-Jugend war er Torwart, später Stürmer und inzwischen Außenverteidiger.

Fußball hat ja immer mit Leistung und Ergebnissen zu tun. Wie stehst Du dazu?

Roters: Ich habe persönlich immer schon den Fokus nicht nur aufs Gewinnen gelegt, sondern auch darauf, dass alle Spaß haben. Wohl auch deshalb habe ich keine riesige Karriere gemacht und höchstens in der Kreisliga gespielt. Ich habe das aber nie bedauert. Ein guter Kumpel von mir hatte im Jugendbereich ein Angebot von Schalke 04, aber das wäre überhaupt nichts für mich gewesen. Ich wollte immer mit anderen zusammen etwas machen und eine gute Zeit haben.

Das klingt ein bisschen olympisch, nach dem Motto: Dabeisein ist alles. Fußball funktioniert doch aber ganz anders.

Roters: Das stimmt. Und natürlich ist es wichtig, auch Ehrgeiz und Siegeswillen zu entwickeln. Aber ich habe gemerkt: Je mehr es um Leistung ging, je höher der Druck wurde, desto weniger Spaß hatten wir. In einer Saison etwa mussten wir aufsteigen, weil der Verein größere Pläne hatte. In dem Jahr machte alles überhaupt keinen Spaß und ich habe mich fast zum Training geschleppt. Ich sehe da durchaus eine Parallele zur Nationalmannschaft: Bundestrainer Julian Nagelsmann hat es sicher nicht leicht, die Gemeinschaft zu betonen. Was da passiert, ist fast ausschließlich ergebnisgesteuert. Den Spaß müssen die ja meist ausklammern.

Nun rollt endlich der Ball – hast Du mit der EM konkret etwas zu tun?

Roters: Als Kirchengemeinde sind wir in Nordhorn auch dabei: Wir bieten ein Public Viewing auf dem Kirch-Vorplatz an, bei dem ich mithelfe. Wir ziehen das als Familien-Event auf, auch für Jugendliche und Konfis. Es gibt keinen Alkohol, dafür neben Würstchen auch vegetarische Alternativen. Jeder kann kommen, vor allem für Fahrräder gibt es viele Stellplätze, das ist hier in Nordhorn einfach typisch. Wir treffen uns 90 Minuten vor Anpfiff, richten nochmal den Beamer aus und hoffen, dass es ein Fußballfest wird – egal wer gewinnt. Und ich glaube, Deutschland wird auf jeden Fall die Vorrunde überstehen und mindestens das Viertelfinale erreichen.

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Bild: Oneinchpunch/canva

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Alexander Nortrup / EMA