„Es bleibt eine sehr fordernde, belastende Situation“

Eine blau-gelbe, ukrainische Flagge weht an einem Mast vor dunklen Wolken.
Bild: Peter Muscutt/Pexels

Auch drei Jahre nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine bleibt die Lage für Ukrainerinnen und Ukrainer angespannt. Felix Paul, Friedensreferent aus der Service Agentur der Landeskirche, und Jobst Reller, Pastor im Diakonischen Werk Hannover, sprechen über die Lage und was sich die Geflüchteten wünschen.

Ein junge Mann mit Brille, weißem Hemd und Sakko schaut nachdenklich in die Kamera.
Bild: Daniel George
Felix Paul, Referent für Friedensarbeit im Haus kirchlicher Dienste.
Eine männlich gelesene Person mit Brille, Schnauzbart und blau-kariertem Hemd lächelt.
Bild: Jens Schulze/EMA
Jobst Reller arbeitet beim Diakonischen Werk Hannover und wirkt seit drei Jahren an Sprachcafé-Angeboten, Gottesdiensten und in der Seelsorge für ukrainische Geflüchtete mit.

Viele Ukrainerinnen und Ukrainer sind geflohen, manche leben nun seit drei Jahren in der Fremde. In Niedersachsen sind es etwas mehr als 100.000 Menschen. Wie geht es ihnen, was sind die Anliegen?

Felix Paul: Letztens wurde getitelt, dass inzwischen viele Arbeit gefunden haben. Das hat nach drei Jahren nicht nur mit Sprachkenntnissen zu tun, sondern gerade mit Hürden wie der Anerkennung von Abschlüssen. Hinzu kommt, dass wir den Menschen ein Zuhause geben können, doch ihre Heimat weiter bedroht wird. Das ist eine sehr fordernde, belastende und erschöpfende Situation, die wir uns gar nicht ausmalen können. Die Menschen wünschen sich echte Anteilnahme und gleichzeitig die Möglichkeit sich zu beteiligen. Viele Ukrainierinnen und Ukrainer, die ich getroffen habe, haben große Energie und den Wunsch, eine freiheitliche Gesellschaft zu unterstützen.

Jobst Reller: In der Region Hannover leben etwas mehr als 10.000 ukrainische Geflüchtete. Dachten vor einem Jahr 70 Prozent an Rückkehr, so sind es jetzt eher 30 Prozent. Vielleicht hing damit und auch dem Umstand, dass es sich oft um Großmütter, Mütter und minderjährige Kinder handelt, zusammen, dass nur etwa ein Drittel Deutsch wirklich beherrschte und in Arbeit gekommen war. Viele sind über die Lage in der Ukraine verzweifelt. Der Schmerz über die Treulosigkeit der USA, die Barbarei Russlands, die vielen tausend militärischen und zivilen Opfer ist groß, wird aber selten offen gezeigt. Waren anfangs Alleinstehende mit Kindern hier, sind zunehmend auch andere Familienangehörige nachgekommen. "Wenn es keine freie Ukraine mehr gibt, dann kommen noch mehr", sagte mir eine junge Frau neulich.

Viele Gemeinden haben sich engagiert und engagieren sich weiter. Was sind die Dinge, die aktuell getan werden können?

Felix Paul: Ich finde es wichtig, dass wir weiter Begegnungen schaffen. Die Ukrainerinnen und Ukrainer ringen in Teilen immer noch um Verständnis dafür, dass sie sich gegen eine imperialistisch anmutende Bestrebung eines ehemaligen Unterdrückungsregime wehren. Doch losgelöst davon ist die Frage, was wir über die Kultur, Sprache, Geschichte, Zivilgesellschaft dieses Landes wissen. Ich wünsche mir auch persönliche Verbundenheit, damit wir die Menschen, die sich eine europäische Ukraine in Freiheit wünschen unterstützen können.

Jobst Reller: Man kann Geld und Hilfsgüter sammeln und etwa über die griechisch-katholische ukrainische Gemeinde in Hannover-Misburg in die Ukraine schicken. Man kann an blau-gelbe Treffpunkte anknüpfen und feste regelmäßige Begegnungsorte zwischen Deutschen und Ukrainern schaffen, um Möglichkeiten zum Spracheüben und zur Begegnung zu geben. Die Menschen möchten eine Bleibemöglichkeit in Deutschland für den Fall der Fälle, echte tatkräftige Solidarität mit der Ukraine - inklusive Waffenlieferungen und humantiäre Unterstützung, EU- und Natomitgliedschaft. Sie wünschen ehrliche und aufrichtige Begegnung mit Mitmenschen.

Mit der Wahl von Donald Trump ergeben sich weltpolitisch neue Situationen. Welche Verschiebungen erwarten Sie und welche Rolle sehen Sie für Deutschland in der nächsten Zeit?

Felix Paul: Ich beobachte mit großer Sorge, dass es scheint, als müssten wir mit einer rein machtpolitischen Außenpolitik von Akteuren wie Trump rechnen. Die schiere Brutalität in Worten und Taten, das Pochen auf den eigenen Vorteil und das Annähern an imperialistisch-autoritäre Regime, die wenig für das Völkerrecht übrighaben werden herausfordernd. Im Hinblick auf die Ukraine wird es die Unabhängigkeit, Gerechtigkeit und Freiheit der Menschen weiter bedrohen. Für Deutschland heißt das, dass wir uns eng mit unseren Partnern in der EU absprechen müssen, um auf dieser Ebene den Menschen Menschenwürde und Schutz weiter garantieren zu können.

Jobst Reller: Die Ukrainerinnen und Ukrainer erwarten Sicherheitsgarantien auch von Deutschland, das heißt nach gegenwärtiger Erwartung unter anderem deutsche Friedenstruppen an einer Demarkationslinie in der Ukraine.

Service für Gemeinden

Impulse, um das Thema in Andachten und Gottesdiensten aufzunehmen, das Vater Unser in vier Sprachen, eine Begrüßunugskarte zum Auslegen (ebenfalls viersprachig), weitere Hilfsmöglichkeiten und mehr finden sich auf einer eigenen Service-Seite für Gemeinden.

Christine Warnecke/EMA