
Nach der Bundestagswahl und den Stimmengewinnen der AfD betonen Kirchenvertreter, rechtsextreme Anschauungen seien mit christlichen Werten nicht vereinbar. Sie rufen zum Engagement für die Demokratie auf.
Wolfenbüttel/Hannover. Angesichts der Stimmenzuwächse für die AfD bei der Bundestagswahl zeigen sich Kirchenvertreter in Niedersachen besorgt und rufen zum Einsatz für die Demokratie auf. „Hunderttausende Menschen haben sich in den vergangenen Wochen dem Rechtsruck in Deutschland entgegengestellt“, sagte der Vorsitzende der Initiative „Kirche für Demokratie – gegen Rechtsextremismus“ Niedersachsen (IKDR), der Ruhestandspastor Wilfried Manneke, am Montag. „Dieses Engagement muss weitergehen.“
Auch der evangelische braunschweigische Landesbischof Christoph Meyns betonte, die Demokratie müsse der Humanität und Freiheit verpflichtet bleiben. Die IKDR schreibt in einer Stellungnahme: „Menschenverachtende Haltungen, Äußerungen und Taten sind mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens nicht vereinbar.“ Die sogenannte „Brandmauer“ müsse bestehen bleiben. Schweigen sei keine Option, so die niedersächsische Initiative. Es sei vielmehr Zeit, zu handeln, wenn Menschen durch eine menschenverachtende Politik ausgegrenzt, bedroht oder angegriffen werden. „Wir halten es für zentral, dass die demokratischen Kräfte in Koalitionsverhandlungen eintreten und Kompromissbereitschaft zeigen.“
Bischof Meyns sagte, es sei besorgniserregend, dass rechtsextreme, demokratiefeindliche Kräfte weiter Zulauf erhielten, auch im Braunschweiger Land. Die neue Bundesregierung müsse die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen und pragmatisch Probleme lösen. Nicht alle, die Sympathien für eine rechtsextreme Partei hegten, seien rechtsextrem, sondern häufig enttäuscht von anderen Parteien.
Gleichzeitig gehe es darum, den rechtsextremen ideologischen Hintergrund politischer Kräfte zu analysieren. Die Kirche trage dabei eine Mitverantwortung, sagte Meyns. Wenn ein völkischer Nationalismus zu menschenfeindlichen politischen Positionen führe, könne die Kirche nicht schweigen. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus seien mit dem christlichen Menschenbild nicht in Einklang zu bringen.
„Gesellschaftliche Spaltung überwinden“
Die Spitzen der katholischen und der evangelischen Kirche, Georg Bätzing und Kirsten Fehrs, betonen die Notwendigkeit, nach dem emotional aufgeladenen Wahlkampf nun zukunftsorientiert und besonnen zu handeln. Sie fordern die Parteien auf, die gesellschaftliche Spaltung zu überwinden. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, äußerte sich erschrocken über den Wahlerfolg der AfD.
„Der Wahlkampf ist vorüber, jetzt muss gehandelt werden“, forderte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Bätzing. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Hamburger Bischöfin Fehrs, sagte, die Tage und Wochen vor der Wahl seien geprägt gewesen von stark emotionalisierten Debatten, die die gesellschaftliche Stimmung aufgeheizt hätten. Jetzt stünden die Parteien vor der Aufgabe, mit diesem „Wahlergebnis konstruktiv und verantwortungsvoll umzugehen“, erklärte Fehrs am Sonntagabend.
Bei der vorgezogenen Bundestagswahl am Sonntag wurden dem vorläufigen Ergebnis zufolge die Unionsparteien mit 28,6 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Die AfD kam auf 20,8 Prozent. Dem Bundestag gehören außerdem die SPD (16,4 Prozent), die Grünen (11,6 Prozent) und die Linke (8,8 Prozent) an. Alle weiteren Parteien scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag bei 82,5 Prozent.
Die EKD-Ratsvorsitzende Fehrs äußerte sich sehr besorgt darüber, dass extremistische Positionen größere Zustimmung gefunden haben als bei vorhergehenden Wahlen. Völkische Parolen und menschenverachtende Haltungen seien mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, es müsse alle umtreiben, „dass ein Fünftel der deutschen Wähler einer mindestens in Teilen rechtsextremistischen Partei ihre Stimme gibt, die sprachlich und ideologisch offen Verbindungen zum Rechtsradikalismus und Neo-Nazismus sucht, mit den Ängsten der Menschen spielt und ihnen nur scheinbare Lösungen anbietet“.
Nach dem Erfolg der AfD will die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland in einen stärkeren Diskurs mit Anhängern der Partei treten. Seine Kirche werde neu überlegen, wie sie die Menschen erreiche, kündigte der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer an. Dazu gehöre es, sich in der Kampagne „#VerständigungsOrte“ zu engagieren und das Gespräch mit allen zu suchen.
Die Landesbischöfin der evangelischen Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, sagte, die hohe Wahlbeteiligung sei „ein ermutigendes Zeichen für eine lebendige Demokratie“. Sie sehe allerdings mit großer Sorge, „dass in Teilen unseres Kirchengebietes auch Kandidatinnen und Kandidaten in den Bundestag gewählt wurden, deren Äußerungen und Positionen unsere Gesellschaft spalten und Menschen ausgrenzen“.