Hannover. Als Reaktion auf die Ende Januar vorgestellte Studie zum Missbrauch in der evangelischen Kirche hat der hannoversche Landesbischof Ralf Meister an die Kirchenvorstände und die Kandidierenden bei den Kirchenwahlen im März geschrieben. „Dass so etwas Furchtbares in unserer Kirche geschehen konnte, verunsichert sehr“, heißt es in dem Brief, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. „Sie übernehmen öffentlich Verantwortung für Ihre Kirchengemeinde. In einer Zeit, in der sich viele Fragen an unsere Kirche richten, ist das eine Herausforderung.“ Bei den Kirchenwahlen am 10. März kandidieren 7.411 Frauen und Männer für die ehrenamtliche Kirchenvorstände in den 1.219 Gemeinden der Landeskirche.
Laut der sogenannten ForuM-Studie gab es in der evangelischen Kirche und in Einrichtungen der Diakonie weit mehr sexualisierte Gewalt als bislang angenommen. Die unabhängige Studie spricht von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern. Zugleich geht sie von einer hohen Dunkelziffer aus. Meister nennt in dem Brief für seine Landeskirche 123 Beschuldigte, die zwischen 1945 und 2023 sexualisierte Gewalt ausgeübt haben sollen oder bei denen der begründete Verdacht besteht.
Die Ergebnisse der Studie zeigten nicht nur, wie häufig es sexualisierte Gewalt in der Kirche gegeben habe. „Sie zeigen auch durch zahlreiche Interviews mit betroffenen Personen, dass die Wege zur Aufklärung sowie die Anerkennung des Unrechts der Betroffenen ebenso unzureichend waren wie der Umgang mit Beschuldigten“, räumt der Bischof ein. Er geht auch auf die Kritik ein, die Landeskirchen hätten den Forschenden nicht ausreichend Aktenmaterial geliefert.
„Die Landeskirche Hannovers hat alle geforderten Daten fristgerecht zur Verfügung gestellt“ schreibt er. Sie sei weiter bereit, zusätzliche erforderliche Akten zu überprüfen. „Es geht dabei in großen Landeskirchen wie unserer um Zehntausende von Dokumenten aus mehr als 70 Jahren. Das erfordert Zeit.“
Aktuell gilt das Augenmerk Meister zufolge auch den Schutzkonzepten, die bis Ende des Jahres in allen Kirchenkreisen und Einrichtungen entwickelt werden sollten. Das werde auch eine wichtige Aufgabe der Kirchenvorstände sein. „Die Verbrechen, die begangen wurden, sind ein Verrat an dem Auftrag, den Gott uns gegeben hat“, schreibt er. „Sie sind ein Verrat an dem, was Gott für uns Menschen und für unser Miteinander will.“