Wenn Du ein Kind siehst, hast Du Gott auf frischer Tat ertappt. Dieser Satz wird Martin Luther zugeschrieben. Und wenn er ihn tatsächlich gesagt haben sollte, dann – so kann ich mir vorstellen – wohl am ehesten, als er mal wieder Vater geworden war. Immerhin sechs Kinder hatte er mit seiner Frau Katharina.
Wenn Du ein Kind siehst, hast Du Gott auf frischer Tat ertappt. Junge Eltern erleben das fast immer so. Auch wenn ihnen durchaus bewusst ist, was sie selbst für die Entstehung ihres Kindes beigetragen haben. Ein Kind ist und bleibt ein Wunder. Ein Geschenk von Gott.
Bei der Taufe wird einem Täufling zugesagt, ein Kind Gottes zu sein. Von jetzt an bis in Ewigkeit.
Ein Kollege sagte mir mal, dass er Jugendliche und damit den Konfirmandenunterricht so anstrengend fände, weil die Jungen und Mädchen in diesem Alter sich benehmen wie Kinder, aber wie Erwachsene behandelt werden wollen. Vielleicht tröstet es, dass es genug Menschen gibt, denen das bis ins hohe Alter so geht.
Scheinbar gibt es einen Unterschied zwischen Erwachsenen und Erwachsenden.
Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder, dann werdet Ihr nie zu Gott kommen und nichts von ihm begreifen. Das hält Jesus seinen Jüngern entgegen, als sie Mütter und Kinder nach Hause schicken wollen. Er sagt damit: So selbstverständlich wie Kinder ihre Beziehung zu ihren Eltern und auch ihre Abhängigkeit von ihren Eltern akzeptieren und leben, so sollen wir mit Gott leben. Und auch davon, wie selbstverständlich Kinder etwas von ihren Eltern verlangen, können wir Erwachsene im Bezug auf Gott wieder lernen. So selbstverständlich wie Kinder mit ihren Eltern rechnen, sollen wir mit Gott rechnen.
Wer ein Kind sieht, hat Gott auf frischer Tat ertappt.
Gott auf frischer Tat ertappen. Das setzt ja voraus, dass er immer noch am Werk ist. Dass er immer noch schafft und wirkt. Das wär doch was, wenn uns das gelingt, einen Blick dafür zu lernen und zu üben, mit dem wir wahrnehmen, wo und wie Gott in unserer Welt tätig ist. Vielleicht sogar in unserem Leben?
Da wird es ja eigentlich erst wirklich spannend. Wo sich nämlich Gottes Geschichte und unsere eigene Lebensgeschichte überschneiden. Dann lesen wir nämlich nicht nur alte Geschichten aus der Bibel, sondern entdecken, wo diese alten Geschichten auf einmal unsere eigenen sind. Oder was für Geschichten unser Leben schreibt, die wir heute in die Bibel setzen würden.
Es scheint mir mehr als ein Ziel zu sein. Es wird ein ganzer Prozess. Lebenslang. Und darüber hinaus: Zu sagen: Ja, ich bin Gottes geliebtes Kind. Er hat mich gemacht und begleitet mich seit dem. Und manchmal, wenn ich mich so angucke, merke ich, wie Gott mir nahe ist. Wie er mich beschützt. Wie er mich herausfordert. Wie er mich liebt. Ja, wenn ich mich angucke, kann ich Gott ertappen. Auf frischer Tat.
Amen.
Markusevangelium 10, 13 - 16
Und er herzte sie und legte die Hände auf und segnete sie.