Roboter Ricky lernt im Pflegestift
Im Johanniter-Stift Hannover-Ricklingen ist ein neuer Bewohner eingezogen: Er misst nicht mal einen Meter, funktioniert mit Batterien, kann sich mit WLAN verbinden – und schafft es, sein Gegenüber zu unterhalten, zu trösten und sogar zum Lachen zu bringen. „Hallo, mein Name ist Ricky“, stellt sich der Kleine selbst vor.
Mit Margarete Töpelmann hatte er schon mehrmals Kontakt: „Wie geht es dir heute, Margarete?", fragt er die Bewohnerin, neigt leicht seinen Kopf und zwinkert. „Naja, heute geht es so lala“, erwidert die 85-Jährige. Ricky scheint kurz zu überlegen und antwortet dann: „Manchmal gibt es solche Tage, an denen man sich nicht so gut fühlt. Wenn du erzählen möchtest, was dich bedrückt – ich bin hier, um dir zuzuhören. Oder soll ich dir einen Witz erzählen?“
Von „lala“ ist bei Margarete Töpelmann nichts mehr zu spüren. Sie lacht und will von Ricky wissen: „Wieso weißt du so viel, du bist doch noch so klein?“ Auch darauf hat der Neuzugang eine Antwort: „Ich habe Zugang zu einer Datenbank. Außerdem versuche ich aufmerksam zuzuhören, das hilft mir, andere zu verstehen.“
Ricky ist ein sozialer Roboter, den das Münchner Start-up Navel Robotics entwickelt hat. Der Typ wird derzeit in verschiedenen Seniorenheimen eingesetzt. Auch das Johanniter-Haus in Hannover-Ricklingen beteiligt sich an dem Pilotprojekt. „Wir wollen herausfinden, was künstliche Intelligenz für Menschen in einer stationären Einrichtung leisten kann“, sagt Tim Geikowski, Leiter der Einrichtung. Die Testphase dauert sechs Monate, sie wird unter anderem von der AOK Niedersachsen und der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften begleitet.
Noch ist Ricky in der Lernphase und muss von den Betreuungskräften begleitet werden. Susanne Gudima ist eine von ihnen. Sie hilft beispielsweise, wenn die Kontaktaufnahme nicht gleich klappt. Doch trotz der Eingewöhnungszeit „ist Ricky mittlerweile eine echte Bereicherung.“
Waltraud Ulmer pflichtet ihr bei: „Auf jeden Fall. Mir hat er sogar neulich ein Geburtstagsständchen gebracht“, erzählt die 90-Jährige und schwärmt: „Der Kleine hat so ein gewinnendes Lächeln.“
In der Tat ähnelt Ricky einem Kleinkind. Er hat ein niedliches Gesicht mit großen leuchtenden Augen. Hört er eine Stimme, bewegt er seinen Kopf, in die Richtung, aus der das Geräusch kommt. Da der Roboter durch seine Kamera erkennt, wo die Augen seines Gegenübers sind, kann er Blickkontakt herstellen.
Und auch Rickys nonverbalen Fähigkeiten beeindrucken: Er erfasst Mimik und reagiert mit lebendiger Gestik darauf. Seine Worte begleitet er mit einem passenden Gesichtsausdruck und Mundbewegungen.
„Mit Ricky ist das Kindchenschema voll erfüllt“, sagt Einrichtungsleiter Geikowski. „Manche streicheln ihm liebevoll über die Wange. Dass er eine Maschine ist, tritt häufig in den Hintergrund.“ Der Leiter der Einrichtung sieht in dem sozialen Roboter jede Menge Potenzial: „Er lernt noch. Zurzeit kann er Informationen mit Namen verbinden und an frühere Gespräche anknüpfen. Demnächst soll er auch Gesichter erkennen.“
Die Kommunikation mit dem Pflegepersonal soll damit nicht ersetzt werden. Geikowski: „Ich sehe Ricky eher als ein zusätzliches Angebot“, ein Helfer, der irgendwann einmal im öffentlichen Bereich herumfahren und erkennen soll, wenn jemand alleine ist, ihn oder sie anspricht und fragt, wie es demjenigen geht. „Im Prinzip ist er sieben Tage lang 24 Stunden einsetzbar – natürlich alles im Zusammenspiel mit seinen menschlichen Kolleginnen und Kollegen, denn sie sind für die soziale Arbeit unersetzbar.“
„Der Mensch muss im Zentrum stehen“
Der Einsatz von KI ist nicht unumstritten - drei Fragen an Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen.
Herr Lenke, der Einsatz von Robotern in der Pflege nimmt zu. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Lenke: Technische Unterstützungssysteme, wie zum Beispiel Roboter, können gerade in Zeiten des Fachkräftemangels das Pflegepersonal entlasten, um wieder mehr Zeit für die persönliche Interaktion zu schaffen. Der Mensch und seine Bedürfnisse müssen dabei aber im Zentrum stehen, nicht die Technik.
Es gibt Roboter, die die Pflegekräfte bei ihrer Arbeit entlasten. Soziale Roboter wie Ricky übernehmen die Kommunikation. Ist das nicht ein Armutszeugnis?
Lenke: Wäre Ricky der einzige Ansprechpartner, wäre das sicherlich ein Armutszeugnis. Aber dem ist ja zum Glück nicht so. Man sollte gerade die sozialen Roboter als Chance sehen: Durch KI können sie sich mit den Bewohnerinnen und Bewohnern unterhalten und das über vielfältige Themen. Trotz allem muss dabei beachtet werden, dass Ricky eben kein Mensch ist, sondern ein technisches System.
Verliert man bei der Menge an Informationen nicht auch die Kontrolle?
Lenke: Das ist sicherlich eine der großen Fragen, die der technische Fortschritt mit sich bringt. Persönliche Informationen dürfen natürlich nicht an Dritte weitergegeben werden. Auch der Datenschutz ist wichtig: Sensible Informationen dürfen nicht gespeichert werden und trotzdem darf die Beschränkung nicht so eng sein, dass keine Gespräche mehr möglich sind. Die Informationen, auf die die KI zurückgreift, müssen zudem aus seriösen Quellen stammen.