„Die Kita ist eine Wachstumsbranche“
Loccum. „Es war aufwändig, lang, aber wunderschön“, sagt Katja Hencken. Die Erzieherin in der St.-Martins-Kita in Holle (Kreis Hildesheim) ist eine von 19 Teilnehmenden einer religionspädagogischen Langzeitfortbildung. Ihre Aussage ließe sich auf die gesamten anderthalb Jahre der Schulung beziehen, doch sie meint ihr Abschlussprojekt: Sieben Wochen lang hat sie in ihrer Kita mit allen 75 Kindern und dem zehnköpfigen Kollegium die Schöpfung thematisiert.
In der Bibel dauert die Schöpfungsgeschichte sieben Tage. Hencken und ihr Team haben pro Tag eine Woche lang kreativ gearbeitet. Die Handpuppe „Das kleine Dunkel“ hat durch die gesamte Projektzeit geführt, sie hat beobachtet, wie es immer heller und bunter auf der Welt wurde – und die Kinder waren gebannt dabei. Sogar die Eltern wurden mit einbezogen: Sie sollten zum Beispiel aufschreiben, was für sie Licht und Dunkelheit bedeuten. Am Ende haben die Kinder Ideen zusammengetragen, wie sie dazu beitragen können, die Schöpfung zu bewahren.
Die Langzeitfortbildung, die das Religionspädagogische Institut Loccum (RPI) in Kooperation mit dem Diakonischen Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen (DWiN) anbietet, verfolgt ein doppeltes Ziel, wie RPI-Dozent Gert Liebenehm-Degenhard erläutert: „Wir wollen das Thema Religion in der Kita als Querschnittsthema noch weiterentwickeln. Und wir wollen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausbilden, die diese Inhalte in ihr Team tragen.“ Die Teilnehmenden seien bereits erfahrene Fachkräfte, nach der Fortbildung seien sie zusätzlich Religionsfachkräfte, „auch wenn es dafür noch keinen richtigen Titel gibt“, so Liebenehm-Degenhard.
Religion sei nicht wie ein spezielles Schulfach, für das man den Raum wechselt, sondern laufe wie Sprache und Bewegung immer mit, sagt der Dozent für Elementarpädagogik. Dabei gehe es um Fragen wie den Umgang untereinander, den Umgang mit Konflikten oder die Frage, wann Regeln gerecht seien. In der aktuellen Untersuchung zur Kirchenmitgliedschaft werde das Thema Religion und Familie erstmals thematisiert, hier habe die Kirche eine besondere Verantwortung. In der Landeskirche Hannovers gibt es mehr als 700 Kindertagesstätten in evangelischer Trägerschaft mit über 58.000 Plätzen – Tendenz steigend. „Die Kita ist die einzige Wachstumsbranche in der Kirche“, unterstreicht Liebenehm-Degenhard.
Den stellvertretenden Leiter der evangelischen Kita in Bevern, Klaus Melching, hat das dazu bewogen, die Zusammenarbeit mit dem Kirchenvorstand neu in den Blick zu nehmen. Die Trägerschaft der Kita liegt bei einem kirchenkreisweiten Verband, was für die örtliche Kirchengemeinde eine Entlastung von Verwaltungs- und Personalverantwortung bedeutet. Die Kehrseite: Der Austausch, auch über inhaltliche Fragen, ist dadurch weniger intensiv. „Die Kita ist Gemeinde und muss es nicht erst werden“, ist Melching überzeugt. Deshalb plant er mehr Austausch, gemeinsame Gottesdienste und andere Aktivitäten.
Natascha Rottwinkel von der Kita St. Gertrud in Duhnen (Cuxhaven) hat sich mit der Weihnachtsgeschichte ein ganz klassisches Thema für ihre Abschlussarbeit ausgesucht – allerdings mit modernen Mitteln. Sie hat mit den Kindern einen Film gedreht. Weil immer mal wieder Mädchen und Jungen wegen Krankheit ausfielen, war es nicht möglich, ein Theaterstück einzustudieren. Also hat Rottwinkel aus der Not eine Tugend gemacht und mit den Kindern, die gerade da waren, einzelne Szenen gefilmt. Bei der Entwicklung des Drehbuchs wirkten die Kleinen intensiv mit. „Die Sterndeuter sollten unbedingt dabei sein“, sagt Natascha Rottwinkel. „Und weil mehrere Kinder Engel sein wollten, gibt es nicht nur einen, sondern drei Verkündigungsengel.“
Anderthalb Wochen hat die Erzieherin mit den Kindern gedreht, „morgens, mittags und abends“. Sechs Stunden brauchte sie, um das Material zu schneiden, weitere vier Stunden, um den Abspann und die „Outtakes“ (Szenen mit witzigen Versprechern und anderen Pannen) zusammenzustellen. Das Ergebnis zeigte sie Eltern, Verwandten und Freunden bei einem Kino-Nachmittag auf großer Leinwand. Gab es Popcorn? „Ja, aber das würde ich beim nächsten Mal nicht wieder machen“, sagt Rottwinkel. „Durch das ständige Geraschel konnte man den Text nicht so gut verstehen.“
Mit den erworbenen Kenntnissen gehen die pädagogischen Fachkräfte jetzt wieder in ihre jeweiligen Einrichtungen. In einem feierlichen Gottesdienst in Loccum überreichten ihnen die Kursleiter Gert Liebenehm-Degenhard (RPI) und Ina Seidensticker (Diakonisches Werk) die Zertifikate für eine erfolgreich abgeschlossene Langzeitfortbildung – „aufwändig, lang, aber wunderschön“.