Der unabhängige Forschungsverbund ForuM hat am Donnerstag, 25. Januar 2024, seine Studie „Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei äußerte der Forschungsverbund Kritik an den Landeskirchen, die sich nicht – wie anfangs vereinbart – in der Lage gesehen hätten, alle Personalakten zu untersuchen.
Dazu einige Informationen der EKD: "Auf der Grundlage von zuvor gewonnenen Erkenntnissen über den vorhandenen Daten- und Informationsstand wollten die Forschenden geeignete Gliedkirchen auswählen, in denen die Personalaktenbestände und andere problemrelevante Datensätze in quantitativer Hinsicht untersucht werden sollten (Screening). Die Landeskirchen schafften es nicht oder nur mit großer Verzögerung, die sehr umfangreichen Fragebögen, die sich auf die Personalakten bezogen haben, in einem Zeitraum bereitzustellen, der es den Forschenden ermöglicht hätte, die Daten zu verarbeiten.
Hierzu gab es folgend Gespräche zwischen den Landeskirchen und den Forschenden. Auf Basis dieser umfangreichen Gespräche wurde EKD-weit mit den Forschenden ein geänderter Plan vereinbart, der das Screening von Disziplinarakten in den Landeskirchen vorsah."
Zum Umgang mit Akten in der Landeskirche Hannovers: Personalakten wurden durch die Fachstelle der Landeskirche Hannovers in allen Fällen hinzugezogen, wenn sich aus den Disziplinarakten ein Anfangsverdacht auf sexualisierte Gewalt ergeben hatte. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden dem Forschungsverbund pünktlich übergeben.
Zur nun geäußerten Kritik stellen sich nach Ansicht von Landesbischof Ralf Meister sowie des Bischofsrats der Landeskirche und des Kollegs des Landeskirchenamts grundsätzliche Fragen für die EKD, die Landeskirchen und gleichermaßen für den Forschungsverbund. Die Landeskirche Hannovers wird in allen kirchenleitenden Sitzungen in den nächsten Wochen die Ergebnisse und Empfehlungen der Studie zum zentralen Gegenstand der Beratungen machen.
Zur Studie: Die Landeskirche Hannovers hat in die Studie einen Fall von sexualisierter Gewalt eingebracht, den die Forschenden in den Teilprojekten A und B behandelt haben. Im Teilprojekt E hat die Landeskirche wie vom Forschungsverbund angefordert in zwei Teilschritten Daten von Fällen sexualisierter Gewalt zur Verfügung gestellt. Im Teilschritt 2 lagen dieser Datenübermittlung als Quellen Disziplinarakten und die entsprechenden Personalakten von Pfarrpersonen sowie weitere Akten und Meldungen bei der telefonischen Hotline der Landeskirche im Jahr 2010 zugrunde.
- Aus beiden Teilschritten im Teilprojekt E zusammen ergeben sich für die Landeskirche Hannovers 110 Fälle sexualisierter Gewalt mit 110 beschuldigten Personen und mindestens 140 betroffenen Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig gewesen sind. Unter den 110 Beschuldigten sind 62 Pastoren.
- Seit der Datenübergabe an den Forschungsverbund sind in der Landeskirche noch weitere zwölf Fälle aus dem Bereich der sexualisierten Gewalt bekannt geworden, unter den Beschuldigten ist eine Pfarrperson.
- Insgesamt sind der Landeskirche aktuell 122 bestätigte Fälle oder Verdachtsfälle auf Sexualisierte Gewalt bekannt. Unter den beschuldigten Personen sind 63 Pastoren (alle männlich).
Alle Fälle, in denen die beschuldigten Personen noch leben, hat die Landeskirche den Staatsanwaltschaften vorgelegt. In den Fällen, die bisher nicht öffentlich bekannt sind, macht die Landeskirche Details grundsätzlich nur nach Zustimmung der Betroffenen öffentlich.