Mit dem Gleichberechtigungsgesetz hat die Evangelische Landeskirche vor etwas mehr als zehn Jahren eine gute Basis für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit von Männern und Frauen geschaffen. Trotzdem sind Frauen, auch ehrenamtlich in der Kirche arbeitende, in Leitungspositionen noch immer unterrepräsentiert. Zeit also, das Gesetz zu überarbeiten, findet Dr. Karoline Läger-Reinbold, Gleichstellungsbeauftragte bei der Landeskirche. Die Pastorin hofft auf Rückendeckung aus der Landessynode.
Frau Läger-Reinbold, unter den Theologiestudierenden und im Vikariat sind Frauen längst in der Überzahl. Trotzdem gilt das Leitungsamt der mittleren und höheren Ebene immer noch als Männerdomäne. Von mangelnder Qualifikation der Frauen kann nicht die Rede sein, denn alle, die für leitende Positionen in Frage kämen, sind sehr gut aus-, fort- und weitergebildet. Woran liegt es also, dass sich diese Präsenz nicht auf Leitungsebene abbildet?
Läger-Reinbold: Das ist ein vielschichtiges Thema. Ein Aspekt ist die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienarbeit. Wie wirkt sich eine verantwortliche Position auf meine Partnerschaft, die Kinder, das Familienleben aus? Vor allem Frauen fällt es leichter, sich auf die nächste Ebene zu wagen, wenn diese Themen geklärt sind. Ein anderer Punkt mag die hohe Zufriedenheit sein, mir der die jetzige Aufgabe wahrgenommen wird. Warum daran etwas ändern, wenn der Begriff Karriere für mich keine Bedeutung hat? Ein dritter, ganz wesentlicher Faktor ist das Infragestellen der Leitungsrolle selbst: Wenn ich Leitung als hierarchisch, tendenziell überfordert oder ständig überlastet wahrnehmen, wirkt das abschreckend und nicht interessant.
Was tut die Landeskirche damit der Gleichberechtigung sichtbar Ausdruck verliehen wird und wie weit können Sie als Gleichstellungsbeauftragte eingreifen?
Läger-Reinbold: Nach dem Gleichberechtigungsgesetz sind die Gleichstellungsbeauftragten in allen Kirchenkreisen Botschafter*innen dieser Themen und auch in Personalangelegenheiten zu beteiligen. Sie sind nicht weisungsgebunden und daher mit großer Freiheit ausgestattet. Um tatsächlich gehört zu werden, braucht es eine intensive Kommunikation und Netzwerkarbeit.
Work-Life-Balance – dieses Schlagwort ist auch in der Kirche angekommen. Wie ließe sich ein Leitungsamt Ihrer Meinung nach so fröhlich, lustvoll und attraktiv gestalten, damit Frauen bereit sind, verantwortungsvolle Aufgaben in Spitzenposition zu übernehmen und eben auch ihre Zeit zu investieren?
Läger-Reinbold: Selbstsorge ist kein Luxus, sondern trägt ganz wesentlich zur Gesunderhaltung und Zufriedenheit bei. Kleine Unterbrechungen, freie Tage, ausreichend Schlaf und regelmäßiger Urlaub sind unverzichtbar: für das eigene geistliche Leben, für Sport und gemeinsame Zeit mit denen, die mir im Leben wichtig sind. Wenn dies nicht mehr möglich ist, dann läuft grundsätzlich etwas schief. Dann muss die Arbeit verändert, anders organisiert oder auf mehrere Personen verteilt werden.
Care-Arbeit ist spätestens seit Corona kein reines Frauenthema mehr. Die Pandemie hat Müttern, als auch Vätern, ein Stück weit flexiblere Arbeitsgestaltung ermöglicht, um Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bekommen. Aber auch Singles haben noch ein Leben neben dem Job. Wie attraktiv ist denn Kirche eigentlich als Arbeitgeber? Und kann sich Kirche in Bezug auf Care-Arbeit wirklich von den gängigen Rollen- und Geschlechterklischees lossagen?
Läger-Reinbold: Im Rahmen des Dialogverfahrens zum „audit berufundfamilie“ diskutieren wir im Landeskirchenamt diese Themen gerade wieder ganz aktuell. Das wünsche ich mir eigentlich für alle Dienststellen und Ebenen: dass wir darüber ins Gespräch kommen. Auch für ehrenamtliche Mitarbeitende ist die Vereinbarkeit ein Riesenthema. Was macht die Arbeit bei der Kirche für dich attraktiv, was wünscht du dir von uns? Das lässt sich ja fragen.
Nun gibt es aber auch Bereiche, in denen die Männer deutlich unterrepräsentiert sind. Beispielweise in sozialen Berufen im Raum der Kirche. Muss die Landeskirche neue Konzepte entwickeln, um wieder mehr männliche Studierende für Theologie und Religionspädagogik zu gewinnen? Und was versprechen Sie sich diesbezüglich von der nächsten Synodentagung?
Läger-Reinbold: Der Pfarrberuf ist weiblicher geworden, das begrüße ich sehr. Ist der Beruf des Pastors, des Diakons, für Männer damit weniger interessant? Gibt es da einen Zusammenhang mit dem Verlust der gesellschaftlichen Relevanz von Kirche? Nach meiner Einschätzung werden wir da künftig genauer hinschauen müssen. Die Landessynode wird sich erneut ausführlich mit dem Zukunftsprozess befassen. Aus meiner Sicht sind auch diese Gleichstellungsthemen entscheidende Zukunftsfragen. Von der Synodentagung verspreche ich mir, dass diese lebensweltlichen Themen in der Debatte nicht ausgeblendet werden.