Kasualien haben Konjunktur. Nicht grundlos finden sich daher EKD-weit immer mehr Kasualagenturen. „Menschen haben eine ungebrochene Sehnsucht danach, bei Lebensübergängen begleitet zu werden, auch wenn sie keine enge Bindung zur Kirche haben“, erklärt Pastor Dr. Nikolas Keitel. Er engagiert sich wie auch Kreiskantor Benjamin Dippel und Diakonin Anna Clausnitzer im Zukunftsprozess, dem sog. „Welle-Prozess“.
Das „Segensnetzwerk“ versteht sich als Vermittlungsstelle zwischen Potentialen der Kirchengemeinden und den Wünschen der Menschen, die nach Kasualien fragen. „Wir müssen offen für Kasualanliegen mit Segenswunsch sein und zeigen, dass wir uns mit den Wünschen auseinandersetzen.“, so Dippel. Denn Wünsche gibt es viele. Das kann der Segen zu einem bestimmten Anlass wie die Einschulung sein oder aber Themen-Events wie eine Harry-Potter-Hochzeit.
Neben den klassischen Kasualien haben auch neue Segenshandlungen hohes Potential. „Die Menschen suchen nach Begleitung. Oft wissen sie aber nicht, was Kirche alles an Lebensphasen begleiten könnte. Wenn wir etwa an Muttertag spontan in der Fußgängerzone auftauchen und Sekt und Segen verteilen oder auch an anderen Orten präsent sind, dann nehmen Menschen das Angebot gerne an“, erklärt Keitel.
Neue Formen von Segenshandlungen sieht auch Clausnitzer als Chance, die als Diakonin für die klassischen Kasualhandlungen eine Zusatzausbildung bräuchte. „Einen Segen kann quasi jeder weitergeben und darin sehe ich meine Rolle – dort aktiv zu werden, wo Segen außerhalb der klassischen Kasualien auch noch gebraucht wird. Denn auch danach fragen die Menschen.“
Kasualien sind aber nicht nur „Wortbetreuung“, betont Dippel. „Musik hat noch einmal einen ganz anderen Anknüpfungspunkt als nur das reine Wort. Das spricht dann wieder andere Gruppen von Menschen an.“
„Nicht gleich Nein sagen“
Segen an neuen Orten und in neuen Kontexten begeistert die Menschen. Der Bedarf ist also da, obwohl die Kirchenverbundenheit schwach ist. Aber gibt Kirche sich auf, wenn Segensvermittlung zum Wunschkonzert wird?
Dippel vereint das. „Wir müssen davon weg, sofort Nein zu sagen, wenn es mal außergewöhnliche Wünsche gibt. Das kann nicht der Anspruch von uns als Kirche sein, die für Menschen da ist. Wichtig ist ein kritischer und offener Dialog.“
Auch Clausnitzer sieht die Rolle der Kirche pragmatisch. „Kirche ist auch Dienstleister und daran sehe ich nichts Negatives. Das war sie schon immer. Früher kamen die Menschen und jetzt müssen wir halt zu den Menschen gehen und ihnen unsere Dienste anbieten.“
Kritik an den Agenturen bleibt nicht aus. Denn die Sorge vor Konkurrenz ist da. Keitel sieht das anders. „Es ist kein Angriff auf die Parochie. Denn die Kasualagentur will ja nichts wegnehmen. Zum einen ist die Zielgruppe der Agenturen eine andere. Zum anderen vermitteln sie auch an die Gemeinde vor Ort.“ Denn vor Ort sind Haupt- und Ehrenamtliche, die viele Potential mitbringen. „Es müssen nicht alle mitmachen, aber wenigstens eine gewisse Offenheit sollten alle haben“, so Dippel.