Er ist auf dem Boden geblieben und hat allen Höhenflügen eines Rockstars getrotzt. Klaus Meine sitzt mit schwarzem Käppi, Lederjacke und Jeans entspannt im „Peppermint Studio“ in Hannover und blickt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) dankbar auf ein „erfülltes, verrücktes Leben“ zurück. Als Sänger und Songtexter der „Scorpions“ hat er Rockgeschichte geschrieben, sein Song „Wind Of Change“ (1990) wurde zur Friedenshymne. Am 25. Mai wird der gebürtige Hannoveraner 75 Jahre alt.
Der Mann mit der hellen, glasklaren Stimme wirkt im Gespräch wie der Typ von nebenan, mit dem man in der Kneipe ein Glas heben würde. Rockstar-Allüren sind dem Musiker fremd, mit seiner Familie lebt er noch immer in der Nähe seiner Heimatstadt. „Home Sweet Home“ nennt Meine auf der Band-Homepage als seinen liebsten Rückzugsort.
Seit 1969 ist er Sänger der „Scorpions“, Deutschlands erfolgreichstem Rock-Export. Der große „Beatles“-Fan Meine machte ursprünglich eine Lehre zum Dekorateur. Im kreativen Duett mit Rhythmusgitarrist Rudolf Schenker schrieb er zahlreiche Rockhits mit schweren Gitarrenriffs und stampfenden Schlagzeugbeats: „The Zoo“, „In Trance“, „Blackout“, „No One Like You“, „Bad Boys Running Wild“.
Die „Scorpions“ stehen nicht nur für soliden, manchmal etwas klischeehaften Gitarrenrock „made in Germany“ („Here I am, Rock you like a Hurricane“). Vor allem mit Power-Balladen hat sich Meine in das Herz von Fans weltweit gesungen: „Holiday“ (1979), „Still Loving You“ (1984) oder „Send Me an Angel (1990). Nie waren die „Scorpions“ düster oder brutal wie andere Hardrock-Bands, sondern immer etwas poliert und akzeptabel für ein Massenpublikum.
In den Augen von manchen Freunden des härteren Rocks sind die „Scorpions“ deshalb „Kuschelrocker“ – weich gespült und ganz ohne Stachel. Aber gerade die Mischung aus rockigen und langsamen Titeln ist das Erfolgsrezept der Band, die 1982 mit dem Album „Blackout“ den internationalen Durchbruch schaffte. 1988 spielten die „Scorpions“ als eine der ersten westlichen Bands in der Sowjetunion. Besonders die US-Amerikaner, Japaner und Brasilianer lieben die Rocker aus Germany, die noch immer touren.
Den anhaltenden Erfolg seiner Band erklärt sich Meine dadurch, dass die gut befreundeten Mitglieder den Spaß am Musikmachen nicht verloren hätten. Musik sei für die Menschen „das ‚Soulfood‘, das wir zum Leben brauchen“. Von der weltverändernden Kraft der Musik ist er überzeugt: „Rock Believer“ (2022) heißt das jüngste Album der „Scorpions“. Gerade die Rockmusik vermittle eine geistige Haltung von Liebe und Frieden, sagt Meine. „Ich würde mir wünschen, dass wir mit unserer Musik die Menschen berühren und dazu beitragen, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.“
Seine Mauerfall-Hymne „Wind Of Change“ (1990), den einzigen Nummer-Eins-Hit der „Scorpions“ in Deutschland, hat er nach dem russischen Angriff auf die Ukraine umdichten müssen. „Ich hatte das Gefühl, dass ich den Song mit dem ikonischen Text nicht so weiter singen und tun kann, als wäre nichts geschehen – und Russland romantisieren.“ Die Friedenshoffnungen nach dem Ende des Kalten Krieges hätten sich zerschlagen. „Indem ich ein paar neue Zeilen schrieb, wollte ich die Solidarität mit der Ukraine ausdrücken.“
Seit vielen Jahren engagiert sich Meine für karitative Projekte, etwa im Kampf gegen Leukämie und Krebs, für Musiktherapie für beeinträchtigte Menschen und für das Kinderhilfswerk Unicef. Als privilegierter Musiker wolle er „etwas zurückgeben von dem Glück und der Liebe, die ich selbst erfahren habe“, sagte er.
Die Kraft für das Leben als Rockmusiker bezieht der „Scorpions“-Frontmann auch aus seinem christlichen Glauben, wie er sagt, auch wenn er nicht ausgesprochen religiös sei. „Hin und wieder gehe ich unterwegs in eine Kirche, um zu beten und in einen Dialog mit Gott zu kommen“, erzählt er. „Man spürt: Da ist eine Kraft, eine Energie, die dich trägt.“
Ans Aufhören denken die „Scorpions“ aus Hannover noch lange nicht. „Open End, wir wissen, dass die Strecke vor uns kürzer ist als jene, die hinter uns liegt“, sagt Klaus Meine. „Wir genießen diese Zeit, freuen uns auf den Austausch mit unseren Fans und hoffen, dass diese verrückte Reise noch ein kleines Stück weitergeht.“