„Im Namen des Vaters“ auf vietnamesisch und arabisch

Ehrenamtliche leiten in vielen Kirchen längst Gottesdienste. Nun hat die Landeskirche Hannover ihren ersten interkulturellen Kurs für Laien angeboten und hofft, dass Menschen mit anderen kulturellen Erfahrungen sich mehr in Ortsgemeinden einbringen.
Die interkulturellen Lektorinnen und Lektoren nach dem Gottesdienst
Bild: Dr. Vera Christina Pabst

Werktags Gärtner oder Richterin, sonntags im Gottesdienst predigen und Menschen segnen. Einen Gottesdienst eigenverantwortlich zu gestalten ist die Aufgabe von Lektor*innen. Dazu gehört: 

– Lieder auszuwählen
– Gebete zu formulieren
– eine Lesepredigt vorzutragen
– im Team zusammenzuarbeiten

Mehr Informationen gibt es auf dieser Website.

Sie haben doch tatsächlich Gott vergessen. Als es ihnen auffällt, schauen Andrew Holzke, Anoushirwan Baleshzar und Daniel Wege kurz betreten - und müssen dann herzlich mit allen anderen im Seminarraum lachen. „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“, natürlich. Das werden sie künftig in ihrer Begrüßung nicht mehr auslassen. Aber sie stehen ja noch am Anfang, die neun Frauen und Männer, die bald als ehrenamtliche Lektorinnen und Lektoren Gottesdienste in der evangelischen Landeskirche Hannovers leiten werden. Ihr Handwerk gelernt haben sie im bislang ersten Kurs der Landeskirche mit interkulturellem Schwerpunkt im Stephansstift in Hannover. Am Sonntag hat Landesbischof Ralf Meister ihnen bei einem Festgottesdienst ihre Teilnahmebescheinigungen verliehen.

Es wurme sie, dass man bei einer Stadtbahn-Fahrt in einer Großstadt deutlich mehr Vielfalt sehe als beim Besuch der meisten Gottesdienste, sagt Vera Christina Pabst, die den Kurs mit angestoßen hat. Dass die von schwindenden Mitgliedszahlen gebeutelten Kirchen gezielt Menschen mit vielfältigen kulturellen Erfahrungen für die Mitarbeit in Ortsgemeinden ausbilden, liegt der Theologin, die lange in Südafrika gelebt hat, besonders am Herzen.

Den Kurs konzipiert und geleitet hat Pabst zusammen mit ihrer Kollegin Nadia El Karsheh. Die wiederum hat mit ihrem Mann mehrere Jahre die deutschsprachige evangelische Gemeinde in Kairo geleitet und ist inzwischen Pastorin einer Kirchengemeinde in einem multikulturell geprägten Viertel Hannovers. An ihrer Bürowand hängt eine Weltkarte mit arabischen Schriftzeichen. „Wir wollen, dass Menschen mit anderen kulturellen Erfahrungen nicht nur Gäste in Gemeinden sind, sondern deren Alltag gestalten“, sagt El Karsheh. „Und dass sie sich womöglich auch für die Wahlen zum Kirchenvorstand im kommenden Jahr bewerben.“ Immerhin 14 Prozent der Gemeindemitglieder hätten schließlich eine Migrationsgeschichte.

Bild: Jens Schulze
Ehrenamtliche leiten in vielen Kirchen längst Gottesdienste. Nun hat die Landeskirche Hannover ihren ersten interkulturellen Kurs für Laien angeboten.
„Ihr ermöglicht uns neue Perspektiven auf Bibeltexte. Damit steht Ihr in den Fußstapfen der ersten Männer wie Petrus und der Frauen wie Maria Magdalena! Und damit seid Ihr Wegbereiter*innen in unserer Kirche, damit sie sich verwandeln kann! Ihr tragt die Botschaft dessen weiter, der zu Petrus sagte: ,Folge mir nach!’“
Dr. Vera Christina Pabst und Nadia El Karsheh an die neuen Lektorinnen und Lektoren:

Die neun interkulturellen Lektor*innen sind:
Reem Antonios, Hannover
Anoushirewan Baleshzar, Hamburg
Andrew Holzke, Hannover
Shahrzad Khosravifar, Lingen
Nasrin, Sharifi, Goslar
Omid Tahmasebi, Lingen
Andrew Tawfeeles, Hannover
Thi My Phuong Tran, Hannover
Daniel Wege, Burgwedel

Über mehrere Monate hinweg haben die beiden Theologinnen auf Wochenend-Seminaren die Gruppe fit gemacht für die Leitung von Gottesdiensten. Die Begrüßung samt dem „dreieinigen Gott“ sitzt inzwischen problemlos, Segen, Gebet und Predigt sind vielfach besprochen und erprobt. Viele von ihnen brachten bei der Mitarbeit in Gottesdiensten auch durchaus langjährige Erfahrung mit. Dennoch war der Kurs für einige der elf Teilnehmenden - darunter ein Informatiker, eine pharmazeutisch-technische Assistentin, zwei Qualitätsmanager in der chemischen Industrie und eine Literatur-Dozentin - wahrhaft herausfordernd. Denn ihre Muttersprache - etwa Arabisch, Farsi und Vietnamesisch - machte doppeltes Denken nötig. Sie lesen Texte anders und bringen vielschichtige kulturelle Perspektiven mit, anders als wohl die meisten der bereits ausgebildeten rund 1.500 Lektorinnen und Lektoren der Landeskirche.

Zwei wesentliche Bausteine gibt es in deren Ausbildung: Kenntnisse über den Ablauf eines Gottesdienstes und die Aneignung einer Lesepredigt. Wer den Kurs absolviert hat, predigt nämlich nicht mit eigenen Worten, sondern nutzt eine vorbereitete Predigt aus Sammlungen, die von der Kirche autorisiert sind. Darin sollen dann durchaus Passagen mit eigenen Beispielen und Worten individuell gefüllt werden. „Auf Deutsch so zu predigen, das ist richtig schwer“, sagt die 27-jährige gebürtige Libanesin Reem Antonios, die in der arabisch-deutschen Gemeinde in Hannover-Vahrenwald aktiv ist. „Mir geht es ja schließlich nicht nur um das korrekte Ablesen. Ich will den Leuten in die Augen schauen und auf sie reagieren können.“

Und das ist gar nicht so einfach, wenn die Nervosität zuschlägt, weil alle einen anschauen. Umso wichtiger ist es, dass sprachlich keine Fragen offen bleiben. Bei der Gruppenarbeit im Seminarraum hantiert zwischenzeitlich ein Iraner mit einer englischen Bibel und einer parallel auf dem Smartphone geöffneten App mit der persischen Sprachversion. Neben ihm blättert eine andere Teilnehmerin durch ihre vietnamesische Bibelversion und bereitet eine zweisprachige Lesung vor. Akribie ist offenbar eine wesentliche Voraussetzung, um diesen Kurs zu meistern.

Auch Anoushirwan Baleshzar kennt die Herausforderung mit der Sprache. Der gebürtige Iraner engagiert sich in einer persisch-deutschen Gemeinde, die Teil der Kirchengemeinde Reinstorf bei Lüneburg ist. Einmal im Monat findet dort ein zweisprachiger Gottesdienst statt, den Baleshzar künftig regelmäßig allein leiten wird. Bislang hatte der 51-Jährige den deutschsprachigen Lektor simultan gedolmetscht - und auch hierfür schon viele Stunden mit der Vorbereitung verbracht.

„Ich nehme die Mühe gern auf mich und schaue mir die Texte ganz genau an, um die Emotionen zu verstehen“, sagt Anoushirwan Baleshzar. „Sonst ist es am Ende nur eine trockene Übersetzung, aber die Botschaft fehlt.“

Alexander Nortrup / epd-Contentwerkstatt