Landesbischof sieht Fortschritte im Kampf gegen sexualisierte Gewalt

Hannover/Osnabrück. Mehr als ein Jahr nach dem Erscheinen der sogenannten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche hat sich aus Sicht des hannoverschen Landesbischofs Ralf Meister vieles verändert. So seien in allen 47 Kirchenkreisen der Landeskirche zwischen dem Landkreis Göttingen und der Nordsee Schutzkonzepte gegen sexuellen Missbrauch entwickelt worden, sagte Meister der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Sonnabend).

Dabei seien viele Tausend ehrenamtliche und angestellte Mitarbeitende geschult worden und würden weiter qualifiziert. „Wir sind auf dem Weg, auch wenn wir nach zwölf Monaten Aufarbeitung und Veränderung noch nicht am Ziel sind“, betonte der Bischof. Die hannoversche Landeskirche ist mit rund 2,2 Millionen Mitgliedern in mehr als 1.200 Gemeinden die größte evangelische Landeskirche in Deutschland.

Meister räumte zugleich zahlreiche Fehler der Landeskirche im Umgang mit Fällen von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen ein. Über einen langen Zeitraum habe es auf allen Ebenen eine „absolut mangelhafte, unzureichende Bearbeitung“ der Missbrauchsfälle gegeben. Verschiedene Handlungsebenen hätten nicht miteinander kommuniziert, Verfahren seien unklar gewesen. Darauf habe die Kirche reagiert, indem sie etwa ihre Fachstelle Sexualisierte Gewalt deutlich ausgeweitet und professionalisiert habe. Von der Intervention über die Aufarbeitung bis zur Prävention sei die Lage heute eine andere.

Rücktrittsforderungen an seine Person habe er sehr intensiv abgewogen, sagte Meister. „Ich habe Fehler gemacht, indem ich zu wenig für Gespräche mit betroffenen Personen zur Verfügung gestanden habe.“ Zudem habe er kirchliche Verfahren nicht entschieden genug hinterfragt. Ein Rücktritt hätte aber Veränderungen erschwert, weil die Kirche dann erst einmal mit sich selbst beschäftigt gewesen wäre und unnötig Zeit verloren hätte, sagte der Bischof. „Ich glaube, es ist richtig, jetzt die ganze Kraft für einen Kulturwandel, die Aufarbeitung und Entschädigung der Betroffenen einzusetzen.“

Die ForuM-Studie war im Januar 2024 veröffentlicht worden. Danach gehen Forscher von mindestens 1.259 Beschuldigten, darunter 511 Pfarrpersonen, und mindestens 2.225 Betroffenen für den Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie aus. In der hannoverschen Landeskirche sind mindestens 122 bestätigte Fälle oder Verdachtsfälle seit 1946 bekannt. Unter den Beschuldigten sind 63 Pastoren. Betroffen sind mindestens 190 Menschen.

epd Niedersachsen-Bremen