Die hannoversche Landeskirche hat bei ihrer Synode am Mittwoch über weitere Schritte im Umgang mit Missbrauch beraten. Dabei brachte erstmals ein Sprecher des Publikums auch Anmerkungen von Betroffenen zu den Berichten ein.
Hannover. Die hannoversche Landeskirche will die Prävention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der Kirche weiter verbessern. Das Thema sei lange verdrängt worden, sagte der Präsident des Landeskirchenamtes, Jens Lehmann, am Mittwoch vor der Landessynode in Hannover. Die im Januar veröffentlichte ForuM-Studie zum Missbrauch in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) habe jedoch gezeigt, dass das Ausmaß der Taten größer sei, als man es in der Kirche wahrhaben wollte.
Die Diskussion zum Thema Missbrauch bei der Tagung wurde per Live-Stream öffentlich übertragen. Als eine Neuerung brachte der frühere Leiter der Fachstelle sexualisierte Gewalt der Nordkirche, Rainer Kluck, Positionen von Betroffenen ein, die ihn per Telefon oder Mail erreichten. Diese legten die Finger auf die Wunden, sagte er. Der Riss, der durch Missbrauch entstehe, dürfe nicht durch Harmoniebedürftigkeit verdeckt werden. „Das ist ein großes rotes Tuch.“
Lehmann berichtete vor dem Kirchenparlament, die Landeskirche habe ihre Fachstelle zu sexualisierter Gewalt weiter personell aufgestockt. In der Vergangenheit hatten Missbrauchs-Betroffene Kritik an der Arbeit der Fachstelle und deren unzureichender Ausstattung geäußert. Zum Januar werde im Landeskirchenamt die neu geschaffene Stelle eines persönlichen Referenten besetzt, die sich hauptsächlich dem Thema sexualisierter Gewalt widmen solle, sagte Lehmann weiter.
Ein weiteres Ziel sei es, alle Mitarbeitenden der Landeskirche für Präventionskonzepten zu schulen. Bis Ende 2026 sollten auch alle Ehrenamtlichen an den Präventionskursen teilnehmen. Zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt solle spätestens im März eine Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission (URAK) mit ihrer Arbeit starten, sagte Lehmann weiter.
Publikums-Sprecher Kluck sagte, die Unabhängigkeit einer solchen Kommission sei oft eine strittige Frage. Aus Sicht Betroffener bedeute dies in der Regel eine möglichst große Distanz zur Kirche. Die Kommission ist im Aufbau, erste Vertreterinnen und Vertreter sind bereits benannt. Kluck verwies auf den Brief einer Betroffenen, die Zweifel an der Unabhängigkeit äußere.
Der frühere Fachstellenleiter mahnte, der Wunsch nach Vergebung und Versöhnung dürfe nicht der erste sein, der an Betroffene gerichtet werde. Er ging damit auf den Bericht von Landesbischof Ralf Meister ein, der vor einem falschen Verständnis von Vergebung gewarnt hatte. Im Rückblick auf Fälle von sexualisierter Gewalt und die Reaktionen der Kirche darauf sagte Meister: „Vergebung wurde schnell und unreflektiert aufgerufen, um brutale Gewalttaten in die Logik einer göttlichen Handlung einzufügen und sie damit aufzulösen.“
Der Synodale Fritz Hasselhorn rief die Landeskirche dazu auf, Fälle von Missbrauch in geistlichen Gemeinschaften mit mehr Nachdruck aufzuarbeiten. „Die Taten, um die es hier geht, begannen vor mindestens 50 Jahren“, sagte er. Eine unabhängige Aufarbeitungskommission untersucht aktuell den Missbrauchsfall des verstorbenen Pastors Klaus Vollmer aus Hermannsburg bei Celle.