Hildesheim. Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder hat Cordula Trauner in einem Gottesdienst am 15. September in der Hildesheimer Andreaskirche in ihr neues Amt als Superintendentin eingeführt. Die evangelische Theologin bringe frischen Wind und klare Vorstellungen mit. Ihre Überzeugungen seien fest verankert in einer modernen und zugleich traditionsbewussten Theologie.
Cordula Trauner habe ein tiefes Verständnis für menschliches Leid und Mitgefühl entwickelt. „Während des Theologiestudiums In den 90er-Jahren habe ich eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Mitarbeiterin in der AIDS-Hilfe gemacht. Hier habe ich gelernt, dass Menschen ein Recht auf ihr Leid haben“, sagt sie. Die dortigen Erfahrungen haben sie sensibilisiert für die Herausforderungen, denen viele Menschen im Alltag begegnen. Als Pfarrerin engagierte sie sich in der Flüchtlingsarbeit in Nordafrika, besuchte Israel und Palästina und baute den Schülerinnenaustausch mit einer Schule in Ramallah auf.
Auch die Armut in unserer Gesellschaft bewege sie tief, sagt die evangelische Theologin: „Mehr als jedes fünfte Kind in Niedersachsen ist armutsgefährdet. Wir müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln: Wie wollen wir als Kirche unserem sozial-diakonischen Auftrag gerecht werden und wie stellen wir Chancengerechtigkeit her – nicht nur für von Armut betroffene Kinder?“
Erst wer den Menschen ansieht, verleihe ihm ein Gesicht, sagt Cordula Trauner. Inspiriert zu dieser Grundannahme habe sie das Bild „Vier Mädchen auf der Brücke“ von Edvard Munchs, das im Dienstzimmer ihrer Schulleiterin Schwester Maria Gertrudis Koch hing.
Schubladendenken passt wenig zu Trauner: Evangelisch-reformiert aufgewachsen und konfirmiert, besuchte sie nach ihrem Realschulabschluss ein katholisches Privatgymnasium, ließ sich gar in katholischer Religion im Abitur prüfen. Ihr frühes Interesse am interkonfessionellen Dialog sei noch heute ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit – auch interreligiös.
Ihre Führungsphilosophie sei geprägt von Respekt und Vertrauen, sagt die evangelische Theologin: „Es geht um vertrauensvolle Zusammenarbeit in einer Dienstgemeinschaft, in der jede und jeder unter-schiedliche Gaben und Begabungen hat. Dabei schätze ich inter- und multi-professionelle Teams. Ich scheue mich nicht vor Konflikten – finde jedoch eine menschen- wie sachgerechte Haltung in der Bearbeitung notwendig. Am Ende sollten sich Menschen immer noch in die Augen gucken können.“
Beim Thema sexualisierte und psychische Gewalt fahre sie eine absolute Nulllinie, sagt Cordula Trauner. „Da es in jedem Fall um Menschen geht, ist es wichtig, dass alle an einem eigenen Schutzkonzept arbeiten und dies fortlaufend weiterentwickeln. Menschen, die von Gewalt betroffen waren und sind, haben im Umgang damit ein Lebensthema, das sie sich nicht ausgesucht haben. Ich halte es vor diesem Hintergrund für selbstverständlich, die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen für Haupt- und Ehrenamtliche im Rahmen der Schutzkonzeptarbeit nicht diskutieren zu müssen. Um sicherere Orte und Angebote zu schaffen, braucht es verbindliche Verabredungen, geschulte Wahrnehmungsfähigkeit und Sensibilität.
Zudem seien Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit zentrale Themen in ihrer Vision für die Kirche. In Nachhaltigkeit stecke das Wort Haltung. Eine je eigene Haltung zu haben und diese fortlaufend zu entwickeln sei ihr wichtig. Den Blick für öko-faire Beschaffung zu schärfen, heiße für sie den Blick für die Menschen zu schärfen.
Die Theologin glaube fest an ein Leben nach dem Tod und schöpft daraus Kraft und Zuversicht. Ihre Vision für die Zukunft der Kirche ist klar: „Auch in zehn Jahren wird es Kirche geben – anders, aber geben. Vielleicht stärker interkonfessionell, interreligiös zusammenarbeitend und mit einem ausgeprägten sozial-diakonischen Profil.“ Der Gottesdienst geht nach dem Gottesdienst weiter – im je eigenen Christsein, so Trauner. Gottesdienstorte und -inhalte werden sich ändern und doch bliebe die zentrale Botschaft des Evangeliums.
Ihre Freizeit verbringt sie gerne mit kulturellen Aktivitäten, Büchern und Musik. „Im Radio höre ich fast alles, ansonsten gerne Barock, Klassik oder Gospel“, erzählt sie. Mit ihrer Frau habe sie bereits ein bisschen die Gegend erkundet, sei im Café gewesen und habe schon ein Schwimmbad gefunden. „Ich freue mich auf viele Begegnungen mit den Menschen.“