Ministerin Behrens lehnt Eingriffe ins Kirchenasyl ab
Hannover. Eingriffe ins Kirchenasyl soll es nach dem Willen von Landesinnenministerin Daniela Behrens (SPD) in Niedersachsen bis auf Weiteres nicht mehr geben. „Für die niedersächsische Landesregierung und mein Haus ist klar, dass wir das Kirchenasyl anerkennen und dass wir keine Rückführungen oder Überstellungen aus dem Kirchenasyl durchführen wollen“, sagte Behrens am Dienstag nach einem Gespräch mit Vertretern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), der Landesaufnahmebehörde und der evangelischen Kirche. Anlass des Treffens war die Beendigung eines Kirchenasyls durch das Land in Bienenbüttel (Kr. Uelzen) Mitte Mai.
Die Ministerin wies darauf hin, dass das Land bei den Entscheidungen über das Kirchenasyl nicht eingebunden sei. Es fungiere lediglich als Vollzugshelfer und befinde sich in einer „Sandwich-Position“ zwischen den Kirchen und dem BAMF.
Angesichts der bundesweit und in Niedersachsen stark gestiegenen Kirchenasyl-Zahlen drang Behrens auf einen „intensiven Dialog“ zwischen den Kirchen und dem Bundesamt. Es sei „keine gute Situation“, dass das BAMF derzeit weniger als ein Prozent der Kirchenasyle als Härtefalle anerkenne. Ziel müsse ein gemeinsames Verständnis von „Härtefall“ und eine Wiederauflage des 2015 zwischen Kirche und BAMF vereinbarten Dossierverfahrens sein. Nach diesem Verfahren kann die Kirche Dossiers über besondere Härtefälle beim BAMF einreichen, um eine Anerkennung des Asyls zu erwirken.
In den vergangenen zwei Jahren hätten die Fälle massiv zugenommen, erläuterte Behrens. Im Jahr 2022 habe das Land 65 Kirchenasyle für 82 Personen verzeichnet, im Jahr darauf 137 Asylfälle mit 159 Personen und im ersten Quartal diesen Jahres 34 Asyle für 39 Personen. Im Vergleich zur den Kirchenasylen im Zusammenhang mit der Flüchtlingswelle 2015 seien dies „deutlich mehr“. In etwa 95 Prozent der aktuellen Fälle gehe es nicht um Rückführungen in die Heimat, sondern um Abschiebungen in ein anderes europäisches Land im Sinne der Dublin-Verordnung.
An dem Gespräch im Innenministerium hatte auch der hannoversche Landesbischof Ralf Meister teilgenommen. Er bezeichnete die Beendigung des Kirchenasyls in Bienenbüttel als „schmerzliche und schockierende Erfahrung“ und begrüßte Behrens' Zusage, auf solche Eingriffe vorerst zu verzichten. Kirchenasyle würden aus „christlicher und humaner Überzeugung“ gewährt, betonte der Theologe. Der „Respekt vor den Sakralräumen der Kirchen“ sei „eine hohe Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes“.
Dazu, wie lang die vorläufige Regelung gelten soll, wolle sie sich nicht festlegen, sagte Behrens. „Wir haben heute nicht über Fristen diskutiert.“ Meister ergänzte, dass Gespräche zwischen dem BAMF und Vertretern der evangelischen und der katholischen Kirchen bereits für Juni in Berlin geplant seien.
In Bienenbüttel hatte die Landesaufnahmebehörde am 12. Mai mithilfe der Polizei das Kirchenasyl einer russischen Familie in der St. Michaelisgemeinde aufgelöst. Das Ehepaar, der erwachsene Sohn und die 16-jährige Tochter waren noch in der Nacht aufgrund der Dublin-Regelung nach Barcelona abgeschoben worden, weil sie ein Touristenvisum für Spanien besaßen.
Bischof Meister begrüßt „Respekt vor den Sakralräumen der Kirchen“
„Die Innenministerin hat heute sehr deutlich gemacht, dass es die Auflösung eines Kirchenasyls wie in Bienenbüttel künftig nicht mehr geben soll. Das begrüßen wir ausdrücklich“, sagte Landesbischof Ralf Meister. „Ein Vorgehen wie in Bienenbüttel ohne vorherige Absprachen mit uns als Kirchen bedeutet für die geflüchteten Menschen eine große Härte und ist auch für die betreuenden Personen in der Kirchengemeinde erschütternd. Es ist sinnvoll, wenn wir die heute begonnenen Gespräche fortsetzen. Kirchengemeinden werden auch in Zukunft nach sorgfältiger Prüfung und als Gewissensentscheidung Kirchenasyl gewähren. Aus christlicher Sicht ist das dann der Fall, wenn für die schutzsuchenden Menschen Härten für die Gesundheit, das Leben oder die Psyche bestehen. Hierüber miteinander zu sprechen, um zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen, ist ein guter und notwendiger Weg im Sinne der Menschen, die bei uns Schutz suchen. Sakral oder sakral genutzte Räume genießen in unserem Land einen besonderen Schutz, der nicht angetastet sollte.“