Loccum. Die Bestattungskultur verändert sich. Neben der traditionellen Bestattung auf Friedhöfen haben sich Fried- und Ruhewälder etabliert, es gibt Seebestattungen oder gar die Einarbeitung der Asche in Schmuckstücke. Bei der Bestattungsform des Unternehmens „Tree of life“ (deutsch: Baum des Lebens) wird die Asche des Verstorbenen mit Erde und Substrat vermischt, daraus erwächst ein Baum. Die Theologin Annette Behnken beschäftigt sich als Studienleiterin der Evangelischen Akademie Loccum mit dem Thema religiöse Praxis in der Gegenwartskultur. Sie kann den Wunsch nach neuen Bestattungsformen nachvollziehen.
Wie bewerten Sie die „Tree-of-life“-Bestattungen?
Annette Behnken: Mir erscheint es eine zeitgemäße und gute Form der Bestattung zu sein, die dem kulturellen Wandel der Gesellschaft Rechnung trägt und der individuellen Auseinandersetzung mit Abschied und Endlichkeit Gestalt gibt. Wie viele der neueren alternativen Bestattungsformen hat auch die „Tree-of-life“-Bestattung den Gedanken, dass die Asche der Verstorbenen in den Kreislauf der Natur eingeht – ohne, dass damit unbedingt ein naturreligiöser, pantheistischer Glaube verbunden sein muss. Es ist vielmehr eine Naturverbundenheit, die angesichts der Endgültigkeit des Abschiedes als tröstlich empfunden wird. Dazu kommt der Wunsch nach individueller, dem Leben der Verstorbenen entsprechender Gestaltung, der sich in der Wahl des Baumes und des Ortes ausdrückt. Mit dem eingepflanzten Baum haben die Angehörigen einen Ort für ihre Trauer, was ich aus seelsorglicher Sicht wichtig finde.
Der Wunsch nach Individualität und Selbstbestimmung nimmt generell bei Bestattungen zu. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Behnken: Der Wunsch nach Selbstbestimmung und Individualität ist ernstzunehmen, wenn wir die Menschen ernst nehmen wollen. Zugleich gilt es, diese Prozesse zu begleiten. Im Fokus muss stets der pietätvolle Umgang mit dem Verstorbenen und die Unterstützung der Hinterbliebenen in ihrer Trauer stehen.
Hat sich der Umgang der Menschen mit Tod und Sterben verändert?
Behnken: Sensibilität und Bewusstsein sind gewachsen. Das zeigt sich zum Beispiel im Umgang mit dem Abschied von tot- und fehlgeborenen Kindern, das zeigt sich aber auch darin, dass inzwischen die meisten Krankenhäuser und Heime Verabschiedungsräume haben. Und nicht zuletzt ist das Hospiz- und Palliativgesetz ein deutliches Zeichen für die gewachsene Relevanz des Themas. Ich beobachte zwei Stränge: zum einen den sehr bewussten Wunsch, das eigene Sterben gut zu planen, zum anderen gibt es aber auch nach wie vor ein hohes Maß an Verdrängung und Ängsten. Ich persönlich bin angetan von der Kreativität der sogenannten Death-Positivity-Bewegung, die das Thema Tod und Sterben auf spielerische und künstlerische Weise stärker ins Gespräch bringen will.