Reformationsfenster in hannoversche Marktkirche eingebaut
Hannover. Nach sechs Jahren mit zum Teil heftigen Kontroversen ist das umstrittene Reformationsfenster für die evangelische Marktkirche in Hannover nun an Ort und Stelle. Handwerker setzten das Werk des Künstlers Markus Lüpertz in den vergangenen Tagen in einen historischen Spitzbogen an der Südfassade der spätmittelalterlichen Backsteinkirche ein. „Jetzt wird es hoffentlich seine künstlerische und theologische Kraft entfalten“, sagte Marktkirchenpastor Marc Blessing am Mittwoch. Das Kunstwerk soll am Reformationstag (31. Oktober) eingeweiht werden.
Das mehr als 13 Meter hohe Buntglasfenster zeigt unter anderem eine große weiße Figur, die Martin Luther (1483-1546) darstellen soll, dazu Motive zur Reformation, die in leuchtenden roten, grünen, gelben oder blauen Farben ausgestaltet sind. Das Kunstwerk war ursprünglich von Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) angeregt worden, einem Freund von Lüpertz. Schröder hatte dafür bei Einrichtungen und Unternehmen, bei denen er Vorträge gehalten hatte, Spenden in Höhe von rund 135.000 Euro gesammelt.
Nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine widmete die Marktkirche die Spenden wegen Schröders Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin allerdings um und steckte sie mit Zustimmung der Spender in einen Ukraine-Fonds. Zuvor hatte es bereits einen Rechtsstreit um das Kunstwerk gegeben. Schröder ist als Initiator des Fensters zur Einweihung eingeladen und hat laut Blessing bereits zugesagt. Auch Lüpertz will bei dem Gottesdienst um 10 Uhr und dem anschließenden Festakt dabei sein.
Bis das bislang eingerüstete und mit Plastikfolie geschützte Fenster öffentlich sichtbar wird, müssen noch einige Maler- und Metallarbeiten ausgeführt werden, wie Glasermeister Kristof Kuhn erläuterte. Zuvor war ein älteres, schlicht verglastes Fenster aus dem Spitzbogen herausgenommen worden. Pastor Blessing zeigte sich begeistert vom künstlerischen Konzept von Markus Lüpertz: „Es ist ihm gelungen, ein neues Luther-Bild in die Kunst einzubringen.“ Auf Denkmälern werde Luther bislang meist als großer Held dargestellt, den man bewundern solle.
Lüpertz lasse nun die andere, menschliche Seite des Reformators aufscheinen: „Er zeigt einen Luther, der von Depressionen und Selbstzweifeln geplagt war und sich vom Teufel angefochten fühlte.“ Dieses Bild sei anschlussfähig für die heutige Zeit, denn auch heute fühlten sich die Menschen bedroht von Kriegen und Umweltkatastrophen, sagte Blessing: „Wenn es uns gelingt, mithilfe moderner Kunst mit den Menschen in ein Gespräch darüber zu kommen, was ihre Anfechtungen sind und wo man Halt findet, dann hat das Fenster seinen Zweck erfüllt.“
Mit dem Einbau setzt die Marktkirche einen Schlusspunkt hinter eine Kontroverse, die zum 500. Reformationsjubiläum 2017 begann. Zunächst zeigten sich einige Gemeindeglieder verschreckt von der Bildsprache von Lüpertz, der unter anderem fünf schwarze Fliegen als Zeichen für das Böse und die Vergänglichkeit zeigt. Dann klagte ein Architekten-Erbe gegen das neue Erscheinungsbild der Kirche, das durch das Reformationsfenster entstehe. Er konnte sich aber in zwei Instanzen nicht durchsetzen.
Zur Finanzierung des Fensters habe die Kirche neue private Spender gefunden, sagte Blessing. Die Kosten seien damit bislang etwa zur Hälfte abgedeckt.