Bittet, so wird euch gegeben. Ich sitze im Wartezimmer beim Arzt. Ein Kind ist da und möchte offensichtlich einen Keks von seiner Mutter haben. Quengelnd und mit dem Fuß stampfend fordert es den Keks. „Was sagt man, wenn man etwas unbedingt haben will?“, fragt die Mutter. Und dann sagt das Kind tatsächlich „bitte“ und bekommt den Keks.
Wahrscheinlich haben wir alle uns schon einmal in so einer Szene wiedergefunden. Ganz behaglich ist mir allerdings nicht dabei, wenn ich erlebe, wie Eltern ihre Kinder öffentlich zur Höflichkeit erziehen. Oder wenn ich mich selbst dabei ertappe.
Wenn wir Kindern beibringen, höflich Bitte und Danke zu sagen, soll das Kind auf eine für den Gebetenen angenehme Art und Weise zeigen, dass es sich etwas wünscht, wozu es selbst nicht fähig ist. Letztlich steckt das hinter einer Bitte: Ich selbst kann nicht, hilf Du mir. Bitte.
Deshalb bitten wir so ungern. Aufgrund meiner Behinderung muss ich immer wieder und immer mehr lernen, andere zu bitten. Ich muss das wirklich lernen, weil es mir eigentlich nicht entspricht. Und ich merke immer wieder, dass es mir bei manchen Menschen leichter fällt als bei anderen. Weil ich mich darin eben unfähig zeige. Mich selbst zeige, wie ich bin und vielleicht gar nicht gesehen werden möchte.
Dass aber ein Kind in allem so abhängig ist von seinen Eltern, das weiß jedes Kind. Abhängig zu sein, in den eigenen Möglichkeiten eingeschränkt zu sein, das gehört zum Lebensgefühl eines Kindes. Um so stolzer sind sie ja, wenn sie endlich selber etwas können. Schuhe zubinden. Jacke anziehen.
Etwas zu erbitten gehört zum Kindsein dazu. Oder gehört es auch grundsätzlich zum Menschsein? Können Sie sich eine Welt vorstellen, in der wir uns hemmungslos gegenseitig um Hilfe bitten?
Bittet, so wird euch gegeben. Dieser Vers steht recht am Ende der Bergpredigt. In ihr hat Matthäus vieles von dem zusammengefasst, was er von den Predigten und Aussprüchen von Jesus überliefert bekommen hat. In dieser Bergpredigt finden sich viele Maßstäbe und Maximen, nach denen wir leben sollen. Manche sind so steil und unbequem und hochgestochen, so anspruchsvoll, dass Theologen sich seit jeher streiten, ob Jesus diese Ansprüche wirklich ernst gemeint haben kann. So. Und zum Ende all dieser fast schon unmöglichen Ansprüche steht nun diese Aufforderung: Bittet, suchet, klopft an!
Ich habe den Eindruck, das ist für erwachsene Menschen heute eine Zumutung wie „Liebet eure Feinde“. Und das stimmt für unseren Umgang untereinander und auch für unseren Umgang mit Gott. Jesus sagt weiter: Ihr wärt doch blöde, es nicht zu tun! Überlegt mal: Nur wer bittet, der bekommt auch etwas. Nur wer sucht, kann auch etwas finden. Nur wer anklopft, dem wird eine Tür geöffnet.
Deshalb: Lasst Eure Hemmungen fallen. Lasst Euch fallen! Probiert es mal aus!
Amen.
Matthäusevangelium 7,7–8