Jetzt steht er da. Im Haus ist das Fest in vollem Gange. Alle feiern die große Heimkehr. Die Verwandten ausgelassen, der Vater überglücklich, der Bruder überwältigt von diesem Empfang. Nur er selbst steht auf der Schwelle und kann es nicht fassen. Einfach mitfeiern? Einfach vergessen, was hinter ihm liegt? Die Trauer des Vaters, die er jeden Tag gespürt hatte. Das Gefühl der Verpflichtung, dass er seinen Vater nun nicht auch noch enttäuschen darf. Die Last der Verantwortung, dass die Zukunft des Familienbetriebs jetzt allein von ihm abhängt. Die Sorge, mit einem winzigen Fehler oder einer vorschnellen Entscheidung alles zerstören zu können. Die tief verinnerlichte Überzeugung, sachlich sein und auf ausschweifende Wünsche verzichten zu müssen. Er hatte gesehen, wie der Vater litt. Wollte es wieder gut machen. Wollte den Verlust ausgleichen. Und spürte jeden Tag, dass all das nicht reichte. Täglich meinte er, im Blick seines Vaters den Schmerz und die Sehnsucht zu erkennen. Er würde sich einfach noch mehr anstrengen, um alles wieder gut zu machen…
Und jetzt, wo der Kleine alles verprasst hat und wieder angekrochen kommt, ist einfach alles vergeben und vergessen? Jetzt soll er einfach feiern? Bis eben war er sich so sicher, dass er alles richtig gemacht hatte. Er war vernünftig gewesen. Er hatte sich um den Vater gekümmert. Er hatte seine eigenen Bedürfnisse stets verleugnet. Er hatte alles gegeben, um wenigstens einen Hauch von Normalität aufrecht zu erhalten. Und er hatte nicht bemerkt, wie bitter er im Laufe der Zeit geworden war. Er war immer für alles zuständig, wollte alle Erwartungen erfüllen und hatte sich dabei selbst verloren. Ein Schatten hatte sich auf ihn gelegt. Schwer wie Blei. Musik dringt durch das offene Fenster und er ringt um Fassung. Dort auf der Türschwelle, wo gerade alles ins Wanken gerät, an dem er sich die letzten Jahre festgehalten hatte.
Der Vater steht in der offenen Tür. Sein Blick sagt: Niemals habe ich von dir erwartet, dass du dich selbst aufgibst. Niemals solltest du dein Leben für mich opfern. Niemals habe ich gewollt, dass du vergisst, wer du eigentlich bist. Vernunft und Pflichtgefühl haben dich so klein gemacht, dass für die Liebe kein Platz mehr war. Aber glaub mir: Was mein ist, ist dein. Du sollst nehmen, was du brauchst. Es ist genug für alle da, denn die besten Dinge werden mehr, wenn wir sie teilen.
Kannst du loslassen und dich mitfreuen? Die Tür ist offen. Komm!
Lk 15,1–3.11b–32