Landesynode fasst Beschlüsse zur Stärkung der Arbeit gegen Sexualisierte Gewalt in der Kirche

Vom 5. bis 8. Juni 2024 hat sich die Landessynode der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers in der Stiftskirche des Klosters Loccum zu ihrer X. Tagung getroffen. Der Themenschwerpunkt des Kirchenparlaments am Freitag (7.6.2024) stand unter der Überschrift "Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Landeskirche".

Rednerin zu Beginn der Synodendiskussionen war Nancy Janz, die selbst als betroffene Person sexualisierte Gewalt in der Landeskirche Hannovers erlebt hat. Im Anschluss sprachen die Mitglieder der Landessynode in Kleingruppen mit weiteren betroffenen Personen.

Den Live-Stream des Themenschwerpunkts finden Sie hier. Die Kleingruppenphase wurde nicht im Stream übertragen. Berichte zum Tagungsschwerpunkt finden Sie auch auf der Internetseite der Landeskirche.

Statement der Synodalgruppen

In der Plenardebatte brachten die Vorsitzenden der beiden Synodalgruppen, Dr. Bettina Siegmund und Ruben Grüssing, ein gemeinsames Statement ein. Darin heißt es:

„Wir haben sexualisierte Gewalt als Thema in seiner umfassenden Bedeutung nicht erkannt. Unsere Verantwortung ist es, die Auswirkungen von sexualisierter Gewalt für betroffene Personen mitzudenken und in unsere Beratungen und Beschlüsse sowohl in der Prävention als auch in Intervention, Hilfe und Aufarbeitung einzubeziehen. Dieser Verantwortung sind wir in der Vergangenheit nicht gerecht geworden. [...]. Mit diesen Maßnahmen wollen wir sicherstellen, dass das Thema die notwendige Aufmerksamkeit und Unterstützung erhält sowie grundlegend und fortwährend in unserer Kirche verankert wird."

Das Statement im Wortlaut

"Wir haben sexualisierte Gewalt als Thema in seiner umfassenden Bedeutung nicht erkannt. Unsere Verantwortung ist es, die Auswirkungen von sexualisierter Gewalt für betroffene Personen mitzudenken und in unsere Beratungen und Beschlüsse sowohl in der Prävention als auch in Intervention, Hilfe und Aufarbeitung einzubeziehen. Dieser Verantwortung sind wir in der Vergangenheit nicht gerecht geworden.

Eine unserer Aufgaben ist es, für die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen zu sorgen. So erkennen wir als Landessynode der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers unser Versagen an, dass wir die unzureichende Ausstattung der Fachstelle Sexualisierte Gewalt zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht umgehend und im notwendigen Umfang gehandelt haben. Wir haben die Folgen für die betroffenen Personen nicht ausreichend in den Blick genommen.

Erst jetzt haben wir die Trennung der Fachstelle Sexualisierte Gewalt von der Gleichstellungsarbeit beschlossen und die personelle Ausstattung der Fachstelle Sexualisierte Gewalt inzwischen signifikant erweitert. Auch die Arbeit gegen sexualisierte Gewalt in den Einrichtungen, Kirchenkreisen und Kirchengemeinden erachten wir für unerlässlich und werden hierfür kurzfristig entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.

Wir wissen, dass die nachhaltige Verankerung des Themas ohne die Beteiligung von Betroffenen nicht möglich ist. Wir werden bis zur nächsten Tagung der Landessynode Vorschläge erarbeiten, wie dieses für die Arbeit in der Landessynode sinnvoll möglich sein kann.

Diese beschlossenen Schritte erachten wir als dringend notwendig, um die Prävention und den Umgang mit sexualisierter Gewalt in unserer Landeskirche wirksamer zu gestalten. Mit diesen Maßnahmen wollen wir sicherstellen, dass das Thema die notwendige Aufmerksamkeit und Unterstützung erhält sowie grundlegend und fortwährend in unserer Kirche verankert wird."

Beschlüsse der Landessynode

Die folgenden Beschlüsse hat die Landessynode bestätigt oder auf den Weg gebracht:
  • Aufstockung der personellen Kapazitäten der Fachstelle Sexualisierte Gewalt: Bereits im Vorfeld der Tagung der Landessynode hatten der Landessynodalausschuss und das Landeskirchenamt nahezu eine Verdopplung des Personals in der Fachstelle Sexualisierte Gewalt beschlossen. Ausgeschrieben ist bereits die Leitungsstelle, die künftig eine 100 %-Stelle umfassen wird und nicht mehr mit der Tätigkeit der landeskirchlichen Gleichstellungsbeauftragten verbunden ist. Dazu kommt eine Stelle im Bereich der Präventionsarbeit, eine Stelle für Aufarbeitung und eine halbe Stelle für Intervention und die Begleitung betroffener Personen, die ab August ausgeschrieben werden. Eine Übersicht der aktuellen Stellenbesetzung und der künftigen Stellenausstattung finden Sie hier.
  • Stärkung der Unabhängigkeit der Fachstelle: Die Fachstelle wird auch personell von der Rechtsabteilung des Landeskirchenamtes getrennt und direkt dem Präsidenten des Landeskirchenamtes zugeordnet. Mit Schwerpunkt auf diesen Themenbereich wird ihm künftig ein eigener Referent bzw. eine eigene Referentin zuarbeiten. Eine Juristin mit halber Stelle bringt zusätzlich juristische Expertise direkt in die Arbeit mit Betroffenen ein.
  • Förderung von Präventionsarbeit in Kirchenkreisen und Kirchengemeinden: Auf Beschluss der Landessynode sollen den Kirchenkreisen zur Förderung der Präventionsarbeit zusätzlich insgesamt 500.000 € zur Verfügung stehen, u.a. für die Tätigkeit von Multiplikator:innen, die die verpflichtenden Schulungen für Mitarbeitende zum Kampf gegen sexualisierte Gewalt durchführen.
  • Partizipation von betroffenen Personen in der Landessynode: Bis zur nächsten Tagung der Landessynode Ende November wird ein konkreter Vorschlag erarbeitet, wie betroffene Personen in Zukunft in kirchlichen Beratungsgängen mitarbeiten können.
  • Kontinuierliche Integration des Themas in die Arbeit der Landessynode: Bis zur nächsten Tagung des Kirchenparlaments im November wird ein Vorschlag erarbeitet, wie die Arbeit der Fachstelle Sexualisierte Gewalt bzw. das Thema insgesamt kontinuierlich in der Arbeit der Landessynode und damit auch in den Tagungen vorkommen kann.
  • Vorarbeiten für kirchengesetzliche Änderungen: Wesentliche gesetzliche Änderungen erarbeitet aktuell das Beteiligungsforum von Evangelischer Kirche in Deutschland, Diakonie und betroffenen Personen. Ergebnisse sowie ein Maßnahmenkatalog sollen im Laufe des November vorliegen. Sie müssen dann in landeskirchliche Gesetze übernommen werden. Hier hat die Landessynode den Auftrag erteilt, Vorarbeiten dazu bereits jetzt zu beginnen, um dann möglichst schnell in eine Umsetzung zu kommen. Das betrifft etwa eine geplante Novelle der "Richtlinie zum Schutz vor sexualisierter Gewalt", die in landeskirchliche Gesetze überführt werden muss.
  • Veränderungen im Bereich theologischer Fragestellungen: Der Ausschuss für Theologie und Kirche der Landessynode, der Landesbischof, der Bischofsrat, das Landeskirchenamt sowie weitere Fachleute werden gemeinsam mit betroffenen Personen erarbeiten, wie das Thema sexualisierte Gewalt bei theologischen Fragestellungen zu Veränderungen führen muss und wie die Diskussionen darüber auch in den Kirchenkreisen und Kirchengemeinden geführt werden können.
  • Nutzung von technischen Möglichkeiten zur Aufarbeitung: Das Landeskirchenamt und die Fachstelle Sexualisierter Gewalt werden auf Beschluss der Landessynode ein Konzept erarbeiten, welche technischen Möglichkeiten im Blick auf Dokumenten- und Datenanalyse genutzt werden können.
  • Arbeitsgruppe gegen sexualisierte Gewalt koordiniert die Maßnahmen: Auf Ebene der Landeskirche arbeitet seit einigen Wochen eine Arbeitsgruppe, um die unterschiedlichen Maßnahmen zu priorisieren und zu koordinieren. In der Gruppe arbeiten das Landeskirchenamt, die Bischofskanzlei, die Fachstelle Sexualisierte Gewalt und eine betroffene Person mit. Künftig wird auch die Landessynode darin vertreten sein.

Nächste Schritte

Weitere Beschlüsse wird die Landessynode während ihrer nächsten Tagung vom 26. bis 29. November 2024 und vom 14. bis 17. Mai 2025 treffen. Im Zentrum wird dann die Umsetzung der Ergebnisse stehen, die das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt von Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD), Diakonie und Vetreter:innen von betroffenen Personen aktuell gemeinsam erarbeitet und die von EKD-Gremien beschlossen werden. Ziel ist es, bei zentralen Fragestellungen ein einheitliches Vorgehen in allen evangelischen Landeskirchen zu gewährleisten. Für einen Beschluss im Beteiligungsforum ist sowohl eine Mehrheit unter der Betroffenenvertretung als auch unter den kirchlichen Beauftragten notwendig. Die Beschlussvorschläge des Beteiligungsforums fließen dann in den Rat der EKD, die Kirchenkonferenz oder die Synode der EKD ein.

Bei der Tagung der Synode der EKD vom 10. bis 13. November 2024 werden eine Reihe von Beschlussvorschlägen zur Diskussion und Abstimmung gestellt, die dann von den Landeskirchen umgesetzt werden. Bearbeitet werden aktuell u.a. die Frage nach der Höhe von Anerkennungsleistungen für von Sexualisierter Gewalt betroffene Personen und die Frage, wie von Sexualisierter Gewalt betroffene Personen in Disziplinarverfahren gegen Beschuldigte besser unterstützt werden können. Alle Informationen zum Beteiligungsforum und seiner Arbeitsweise finden Sie hier.


Hannover, den 12. Juni 2024

Pastor Benjamin Simon-Hinkelmann,
Pressesprecher der Landeskirche Hannovers

Rote Reihe 6, 30169 Hannover

Tel.: 0511 1241 399, Mobil: 0172 23 98 461
E-Mail: benjamin.simon-hinkelmann@evlka.de