
Hannover. Rund 20 Pastorinnen und Pastoren waren im März für zehn Tage in New York auf einer Reise des Pastoralkollegs und der Fortbildungen in den ersten Amtsjahren. Daniel Rudolphi, Beauftragter für Weltanschauungsfragen und Teamleiter Demokratie und Frieden in der Service Agentur der Landeskirche, fasst die Eindrück zusammen.
Herr Rudolphi, warum haben Sie „Gott in New York“ gesucht, wie der Titel Ihrer Studienreise es formulierte?
Rudolphi: Ziel war es, Religiosität in New York zu erleben, in Gottesdiensten, in Begegnungen, in der Stadt und der Kultur. In New York gibt es sehr viele unterschiedliche Gemeinden auf engem Raum. Wir waren sowohl in einer evangelikalen Großgemeinde, in einer sehr politisch-progressiven Gemeinde und in einer liberalen Synagoge zum Gottesdienstbesuch. Hinzu kamen zahlreiche Begegnungen und Gespräche über Themen wie: Rechte von Minderheiten, Theologie der Zukunft und den Zusammenhang von Spiritualität und sozialem Engagement. Vieles stand dabei unter dem Eindruck der Trump-Wahl, was wir noch nicht absehen konnten, als wir die Reise planten. Doch die Frage, wie mit dem Sieg Trumps umzugehen ist, war quasi allgegenwärtig.
Wie haben Sie die amerikanischen Gemeinden erlebt, wie wirkt sich die Wahl aus?
Rudolphi: Man kommt an Trump und seiner politischen Agenda nicht vorbei – ob es um „Make Amerika great again“-Caps geht, die man an jedem Souvenirshop kaufen kann, oder die Frage, was Pfarrpersonen öffentlich noch sagen können. Wir haben viel Verunsicherung wahrgenommen, Vorsicht in den Gesprächen und eine Zerrissenheit: Manche wissen, dass sie Trumpwählerinnen und -wähler als Gemeindemitglieder haben. Diese sehen dann oft nicht, dass Trumps Politik auch Auswirkung auf ihr nahes Umfeld hat und ihnen nahestehende Menschen, die seit Jahren bestens in der Gemeinde integriert sind, aufgrund eines fehlenden Passes nun die sofortige Ausweisung droht.
Wie gehen Gemeinden mit dieser Situation um?
Rudolphi: Viele sind noch am Suchen eines guten Weges. Eine Gemeinde hat zu einem 100-Tage-Fasten aufgerufen, dem Verzicht, bei einer bestimmten Supermarktkette zu kaufen, weil diese ihre Ziele zu Gleichstellung und Inklusion aufgrund der neuen Regierung eingestellt hat. Manche nehmen an lokalen Protesten teil, von denen man in den großen Medien aber nichts oder nicht viel hört, aus Angst, Repressionen der Trump-Administration zu erleiden. Manche Gläubigen haben in Gottesdiensten berichtet, dass sie versuchen, in politische Ämter zu kommen, um dort für die Demokratie eintreten zu können. Und neben allen Sorgen gab es auch viele Momente, die Mut gemacht haben.
Welche sind das?
Rudolphi: Wir haben Gemeinden gesehen, die ganz klar wissen, wozu es sie gibt und wer ihre Zielgruppe ist: Jede Gemeinde, die wir getroffen haben, hatte einen wahrnehmbaren Schwerpunkt, auch wenn es mit Sicherheit viele weitere Stärken gibt. In einer Gemeinde stand klar die Partizipation von queeren Menschen, mit all ihren Gaben im Fokus. In der Synagoge war die fantastische Musik ein verbindendes, gemeinschaftsstiftendes Element. Die nächste Gemeinde ist ein Ort für Künstlerinnen und Künstler und sucht nach neuen, modernen Gottesbildern. Die evangelikale Gemeinde wiederum war sehr professionell in der Inszenierung des Gottesdienstes, der fast an ein Musical erinnert hat. Schwerpunkt-Denken ist in den USA viel stärker als bei uns und hilft ihnen, denke ich, sich zu positionieren und auch in die Stadt hineinzuversetzen. Das ist ein spannender Gedanke für uns in Deutschland: natürlich für alle ansprechbar zu sein, aber ein gewisses Profil zu schärfen, das vor Ort funktioniert, in der jeweiligen Situation.

Insgesamt klingt es so, dass sich Gemeinden auch eindeutig politisch positionieren. Hierzulande wird aber gern auch mal der Vorwurf laut, die Kirchen seien zu politisch. Was denken Sie darüber?
Rudolphi: Ich denke es tut gut, sich zu hinterfragen: Wofür stehen wir eigentlich? Und dann nicht parteipolitisch, sondern inhaltlich und theologisch: Dies ist mit unserem Menschenbild vereinbar, jenes nicht. Als Christinnen und Christen sollten wir uns diese Fragen jetzt stellen, gerade, wo rechtsextremes Gedankengut populärer wird, damit wir Antworten haben und nicht in eine Schockstarre verfallen, sollte bei uns irgendwann einmal ähnliches passieren wie jetzt in den USA. In diesem Sinne kam die Reise genau zur richtigen Zeit – wir haben einen guten Austausch erlebt, es ist gut, in Kontakt zu sein und ich glaube wir als Gruppe aber auch die besuchten Gemeinden haben Mut und Hoffnung aus den Begegnungen mitgenommen. Das ist ziemlich viel in der aktuellen Zeit.
Bleibt abschließend die Frage: Haben Sie Gott gefunden?
Rudolphi: Das ist natürlich eine sehr gute Frage und ich werde mich davor hüten eine eindeutige Antwort zu geben. Ich kann nur sagen uns ist in diesen Tagen eine große Vielfalt begegnet. Menschen, die sich engagieren, die protestieren, die zweifeln und verzweifeln, Menschen, die glauben und den Glauben neu denken wollen, Menschen, die fantastisch musizieren und Menschen, die anderen Mut machen. Und in all dieser „menschlichen“ Vielfalt war mir Gott sehr nah.