„Keine Panik!“: Fastenzeit soll Raum geben für existenzielle Fragen

Auf einem orangenen Hintergrund liegen Kalender mit der Aufschrift "Luft holen". Jemand blättert durch einen hindurch.
Bild: epd-bild/Heike Lyding

In der Fasten- oder Passionszeit erinnern Christen an das Leiden und Sterben Jesu Christi und bereiten sich auf Ostern vor, auf die Botschaft von der Auferstehung. Die evangelische Aktion „7 Wochen Ohne“ soll helfen, diese Wochen bewusst zu erleben und zu gestalten.

In diesem Jahr steht sie unter dem Motto „Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik“. Die Organisatoren rufen dazu auf, in der Fastenzeit von Aschermittwoch (5. März) bis Ostermontag (21. April) innezuhalten und den Blick auf den Alltag zu verändern. Der Eröffnungsgottesdienst wird am 9. März um 9.30 Uhr in der St.-Martin-Kirche im niedersächsischen Nienburg an der Weser gefeiert und live im ZDF übertragen.

Teilnehmende von „7 Wochen Ohne“ können sich zu Fastengruppen zusammenschließen oder Aktionskalender nutzen. Die Fastenaktion wurde 1983 gegründet. Ein mit Theologen und Medien-Experten besetztes Kuratorium bestimmt alljährlich nach Aschermittwoch das Motto für das Folgejahr. Koordiniert wird „7 Wochen Ohne“ von einem Projektbüro im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik in Frankfurt am Main.

Hannover, Frankfurt a.M.. Mach keine Alleingänge, zeig dich, hab ein großes Herz und sei großzügig: Es geht um Anstöße für mehr Achtsamkeit, um Menschlichkeit im Alltag - und zugleich um Kardinaltugenden und Todsünden. Bei „7 Wochen Ohne“, der Fastenaktion der evangelischen Kirchen, rücken der Mensch und sein Tun im Mittelpunkt - und nicht zuletzt der Wunsch nach Veränderung. So stellten Teilnehmende in der Vergangenheit bereits ihren Ehrgeiz, ihre Ehrlichkeit, ihren Optimismus oder ihre Zuverlässigkeit auf den Prüfstand. Unter dem Motto „Luft holen - Sieben Wochen ohne Panik“ sind die Menschen in diesem Jahr zum Fasten eingeladen.

Die Fastenaktion von Aschermittwoch (5. März) bis Ostermontag (21. April) solle Raum geben für die Beschäftigung mit existenziellen Fragen, sagt der hannoversche Landesbischof Ralf Meister als ihr Botschafter. Sein persönlicher Bezug zu dem Thema gehe auf ein Zitat von Greta Thunberg zurück. Sie hatte 2019 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos angesichts des Klimawandels unter anderem den Satz geäußert: „I want you to panic.“ Diese Aussage habe ihn ins Grübeln gebracht, wie Menschen auf Situationen reagieren könnten, verrät Meister.

Bei Panik gehe es darum, dass ein Mensch kein Bewusstsein mehr dafür habe, was um ihn herum geschieht, erläutert der Landesbischof. „Panik lässt kaum Handlungsoptionen.“ Jeder und jede könne das anhand eigener Erlebnisse nachvollziehen. „Panik hat auch mit Geschwindigkeit zu tun - einer Geschwindigkeit, bei der klar ist: Du hältst nicht mehr mit.“ Deswegen passe als Gegengewicht dazu sehr gut das Luft holen, sagt der Landesbischof. „Wer bewusst Luft holt, gibt seinen Gedanken Raum und Zeit, sich zu formen.“

Mit der Fastenaktion solle ein bewusstes Gegengewicht zu „atemlosen Zeiten“ gesetzt werden. Es solle Zeit sein, innezuhalten und den Blick auf den Alltag vielleicht sogar dauerhaft zu verändern. Für jede der sieben Wochen bis Ostern gibt es ein Untermotto mit zugeordneten Bibelstellen. So startet die Aktion in der ersten Woche mit dem Thema „Fenster auf“. In der der zweiten Woche folgt das Motto „Seufzen“. Danach reihen sich „Singen“, „Frischer Wind“, „Dicke Luft“, „Ruhe finden“ und „Osterwunderluft“ aneinander.

Schon früh in der Planung habe das Themen-Kuratorium den Eindruck gehabt, dass sich viele Menschen danach sehnten, angesichts vieler Krisen einmal durchatmen zu können und nicht panisch zu werden, erläutert die Theologische Direktorin des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP), Stefanie Schardien. Sie war für 2025 erstmals in dem Gremium an der Schwerpunktfindung beteiligt. „Dass 'Luft holen' nun kurz nach dem vorgezogenen harten Wahlkampf und nach den neuen weltpolitischen Entwicklungen so sehr das Gefühl treffen würde, hatten wir natürlich nicht geahnt.“

Im Begleitheft zur Fastenaktion schreibt die Pfarrerin der Nienburger Kirchengemeinde St. Martin, Cordula Schmid-Wassmuth, viele Menschen machten sich zu schnell zu viele Sorgen. „Damit tun wir uns und unserer Umgebung keinen Gefallen“, schreibt die Theologin, in deren Kirche am 9. März um 9.30 Uhr der TV-Eröffnungsgottesdienst zu „7 Wochen Ohne“ gefeiert wird. Die Menschen müssten sich Zeit nehmen und mehr auf das schauen, „was Gutes da ist, was uns hilft und hält, auf unsere Ressourcen“.

Genau dafür sei die Fastenzeit wertvoll, unterstreicht Bischof Meister. Sie sei keine spontane Erfahrung sondern dauere 40 Tage. Positive Erfahrungen, die in einer solchen Zeitspanne gemacht würden, hätten eine gute Chance, die Menschen auch über die Fastenzeit hinaus zu begleiten. Wer lerne, zu sagen: „Atme erst mal durch“, mache das später selbstverständlich. „Vieles, was uns unzufrieden macht oder worüber wir uns ärgern, entsteht nach meiner Ansicht daraus, dass wir uns nicht mehr die Zeit nehmen, um durchzuatmen und nicht mehr die Zeit finden, um nachzudenken.“

Mit der Fasten- und Passionszeit vergegenwärtigen sich Christen traditionell das Leidens und Sterben von Jesus und bereiten sich auf Ostern vor. Seit 1983 initiiert die evangelische Kirche zwischen Aschermittwoch und Ostermontag jährlich ihre Fastenaktionmit mit den jährlich wechselnden Schwerpunkten. Koordiniert wird „7 Wochen Ohne“ von einem Projektbüro im GEP in Frankfurt am Main. Das GEP trägt unter anderem auch die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd).

ZDF-Fernsehgottesdienst zur Eröffnung

Zur Eröffnung der Fastenaktion überträgt das ZDF den Gottesdienst am 9. März um 9.30 Uhr aus der St. Martin Kirche in Nienburg mit Landesbischof Ralf Meister live im Fernsehen und per Livestream.

3 Fragen an den Schirmherrn, Landesbischof Ralf Meister

Das Bild zeigt eine männlich lesbare Person ohne Bart, mit kurzen grauen Haaren, einer Brille mit dunkler Fassung, einem hellblauen Schal, weißem Hemd und dunklem Sakko. Die Person hält ein Mikrophon in ihrer rechten Hand und hält die linke Hand auf Brusthöhe.
Bild: Jens Schulze
Landesbischof Ralf Meister

Herr Meister, worin besteht der Nutzen der Fastenzeit?
Meister:
Die Fastenzeit erinnert zuerst an das Leiden und Sterben Jesu. Doch schon früh wurde diese Erinnerung zu einer bewussten, persönlichen Glaubenszeit, eine Unterbrechung. Es geht darum, sich bewusst mit dem eigenen Leben und seinem Verhältnis zu Gott zu beschäftigen. Der Verzicht auf bestimmte Speisen, Alkohol oder anderes vertieft die Frage: Was ist mir wichtig im Leben? Die Fastenzeit dauert 40 Tage und bietet somit die Möglichkeit, in vielen kleinen Schritten Haltungen und Gewohnheiten zu überprüfen und vielleicht auch grundsätzlich zu ändern.

Wie hilft dabei, dass das diesjährige Motto, das die Menschen auffordert, Luft zu holen?
Meister:
Ohne Luft zu holen, lebt kein Mensch. In der Schöpfungsgeschichte der Bibel wird erzählt, dass Gott den Menschen mit dem Atem belebte, als er ihn schuf. Luft holen bestimmt unser Leben. Bewusst zu atmen führt dazu, dass wir uns konzentrieren auf den Körper, gibt ihm einen Rhythmus. „Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik“ will Anreize geben, im Überfluss der Kommunikation und der Kurzatmigkeit des Lebens einmal anzuhalten. Die Konzentration auf den Atem schafft Raum für Leib und Seele, um zwischen dem Wichtigen und Unwichtigen im Leben zu unterscheiden. Zudem hilft sie, besonnen über die Dinge nachzudenken, die mir bedrohlich erscheinen, die mir Angst machen. Nur ein Bruchteil von dem, was ich durch die Dauerkommunikation aufnehme, ist wichtig für mich.

Entschleunigung soll also Probleme lösen?
Meister:
Wer lernt, zu sagen: „Atme erst mal durch“, macht das später selbstverständlich. Vieles, was uns unzufrieden macht oder worüber wir uns ärgern, entsteht nach meiner Ansicht daraus, dass wir uns nicht mehr die Zeit nehmen, um durchzuatmen, und nicht mehr die Zeit finden, um nachzudenken. Es kommt darauf an, gerade auch bei Dingen, die ich unerträglich, hinderlich oder einschränkend finde, so lange Atem zu holen, bis ich es besser verstehe, aber auch sortieren kann: Was ist wichtig für mich, meine Freunde, meine Familie? Dann komme ich in die Lage, angemessenere Antworten zu finden, Rücksicht zu nehmen oder auch um Entschuldigung zu bitten für eine unbedachte Reaktion.

epd Niedersachsen-Bremen