Marion Römer als geistliche Begleiterin der Klöster und Stifte verabschiedet
Frau Römer, wenn Sie demnächst auf Ihren Arbeitsalltag zurückblicken: Wie zufrieden hat Sie die Aufgabe, Äbtissinnen der Klöster und Stifte sowie Frauen in Konventen und Kapiteln auf ihrem Weg zu begleiten, über die Jahre gemacht?
Römer: Gern war ich geistliche Begleiterin dieser Frauen. Sie und die Gebäude, die sie beleben, sind wahre Schätze – sowohl für unsere Kirche als auch für die Gesellschaft.
Was genau sind denn die Aufgaben einer geistlichen Begleiterin und wo haben Sie für sich die Schwerpunkte gesetzt?
Römer: Um sowohl einzelne Frauen in bestimmten Lebenslagen als auch ganze Gemeinschaften in den Konventen und Kapiteln an insgesamt 15 Orten zu begleiten, bin ich oft gereist. Ich habe viele vertrauliche Gespräche geführt, habe Gottesdienste und Einkehrtage gehalten. Auch die Zusammenarbeit mit der Klosterkammer war sehr vertrauensvoll, etwa bei Klausurtagungen von Klosterkammer und Äbtissinnen, an denen ich beteiligt war. Grundsätzlich lebt die Stelle einer geistlichen Begleiterin von persönlichen Kontakten und Begegnungen. Und so habe ich die Menschen in den Klöstern im Laufe der Jahre sehr gut kennengelernt.
Durch die Begleitung der Frauen in ihren geistlichen Lebensaspekten
und in seelsorgerischen Gesprächen ist eine enge Verbindung zu den Frauen entstanden. Kann dieses ganz „Ohr“ sein auch dazu beitragen, um auf dem eigenen Lebens- und Glaubensweg zu wachsen?
Römer: Ich würde es anders beschreiben: Um ganz Ohr sein zu können, war für mich wichtig, selbst eine geistliche Praxis zu haben und auch geistlich begleitet zu werden. Geistliche Begleitung betrachtet das ganz konkrete Leben im Horizont des christlichen Glaubens. Da ging es nicht nur um „fromme“ Themen. Leben im Kloster hat Höhen und Tiefen. Die Äbtissinnen und auch Konventualinnen und Kapitularinnen von heute sind Persönlichkeiten mit Lebenserfahrung. Sie tragen nicht die Frömmigkeit vor sich her, sondern gestalten ihre Aufgabe im Angesicht Gottes. Äbtissinnen stemmen vielfältige Aufgaben, kümmern sich um das Gebäudemanagement und die wirtschaftlichen Belange von Kloster oder Stift. Und sie tragen Verantwortung für das Leben der Gemeinschaft.
Stellt man sich das Leben im Kloster wie eine große Wohngemeinschaft vor? Denn auch dort ist man weder verwandt noch verschwägert, noch haben die Mitbewohner ähnliche Interessen, soziale Herkunft oder Bildung zusammengeführt.
Römer: Wohngemeinschaft ist nicht ganz der richtige Begriff für das Leben im Kloster. Jede Frau lebt in ihrer abgeschlossenen Wohnung, widmet sich aber kirchlichen und sozialen Aufgaben. Und da gibt es einiges zu tun, denn die Klöster werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die Häuser werden bei Führungen präsentiert. Klöster bergen viele Kunstschätze, sie sind kulturell interessante Orte, an denen beispielsweise auch Konzerte und Theater aufgeführt werden. Das alles muss organisiert werden. Die dort lebenden Frauen kooperieren auch mit Kindergärten sowie Schulen und übernehmen damit – nicht nur bei den Führungen – eine religiöse Bildungsaufgabe. Sie machen den christlichen Hintergrund der Einrichtung anschlussfähig, ohne zu überfordern. Die Frauen leben mietfrei, engagieren sich dafür aber für das Haus und die Gemeinschaft. Wenn die Kraft nachlässt, eröffnet sich im Kloster Marienwerder im fortgeschrittenen Alter eine schöne Perspektive für ein Leben zwischen Autonomie und Betreuung, aber im klösterlichen Umfeld.
Wie würden Sie die Frauen beschreiben, die sich heute entscheiden, den Weg ins Kloster zu gehen und dort auch weiterzugehen?
Römer: Viele alleinstehende Frauen wünschen sich jenseits der Berufstätigkeit eine sinnvolle Aufgabe. Da kommen dann auch Klöster und Stifte in den Blick. Sie bieten eine gute Balance zwischen Selbstbestimmtheit und Einbindung in eine Gemeinschaft auf christlicher Grundlage. Nähe und Distanz, das Maß an Engagement und freier Zeit muss immer wieder gemeinsam austariert werden. Dem Eintritt in einen Konvent oder ein Kapitel geht immer eine reifliche Überlegung und eine Zeit gegenseitigen Kennenlernens voraus. Dennoch legen Frauen mit dem Umsiedeln ins Kloster kein Gelübde ab. Wenn das Leben in Kloster oder Stift nicht lebensdienlich gelingt, kann das Kloster auch wieder verlassen werden. Manche Frauen merken nach einigen Jahren, dass sie mehr Zeit für die Familie, für Kinder und Enkel haben und ihre Tage freier planen möchten. Dann ist beziehungsweise war es Teil meiner Aufgabe, mit ihnen zusammen eine Lösung zu finden.
Wann und wo beginnt ein Tag im Damenstift?
Römer: Das kann unterschiedlich sein. Manchmal beginnt der Morgen um 9 Uhr mit dem Singen der Mette, in anderen Häusern mit einer Andacht.
Eine Dame, um die 90 Jahre alt, hat mal gesagt, dass sie es wunderbar findet, tagtäglich zur Disziplin gezwungen zu sein. Im Kloster verlottere man nicht, die gemeinschaftlichen Aufgaben gäben eine Struktur, die gut tut.
Die Klöster und Damenstifte, die auf dem Gebiet der Landeskirche verstreut liegen, haben eine lange Geschichte. Inwiefern hat sich das klösterliche Frauenleben im Laufe der Zeit verändert?
Römer: Das klösterliche Frauenleben von heute ist nicht vergleichbar mit dem vor 50 Jahren – weil das Leben von Frauen sich in den letzten Jahrzehnten gravierend verändert hat. Diese Veränderungen halten auch Einzug hinter Klostermauern. Ohne Internetzugang etwa geht es dort heute nicht mehr. Frauen sind selbstbewusster und selbstbestimmter geworden, bringen Erfahrungen aus dem Berufs- und Familienleben mit ein. Viele waren einmal verheiratet, sind verwitwet oder geschieden. Das ist für ein Leben im Kloster oder Stift durchaus hilfreich, wenn sie Leben in Gemeinschaft schon kennen. Und dann sind es aber diese besonderen Orte, die auch etwas fordern. Denn die dort lebenden Frauen sind mit den Schätzen ihrer Vorfahrinnen umgeben.
Und gleichzeitig schreiben sie die Geschichte dieser Orte, auch die Glaubensgeschichte, weiter. Klöster und Stifte sind Orte, die Veränderungen, die Wandel können. Es ging in ihnen immer um eine Überführung dieser in Gegenwart und Zukunft. Ich hoffe, dass diese Lebensform, die ein anregendes Umfeld bietet und ein Leben auf christlicher Grundlage mit anderen Frauen ermöglicht, noch bekannter wird und viele Frauen Lust auf ein solches klösterliches Leben bekommen.
Wie viele Frauen leben in den von Ihnen begleiteten Einrichtungen?
Römer: Derzeit sind es etwa 100 Frauen.
Ist Ihre Nachfolge im Amt gesichert?
Römer: Die Verantwortlichen sind mit einer Pastorin im Gespräch. Uns allen liegt viel daran, dass das Amt zügig wieder besetzt wird.