„Wie halten wir es mit der Religiosität?“ – das war die Leitfrage einer Diskussionsveranstaltung im Haus kirchlicher Dienste (HkD) im neuen Format „HkD Foyer“, die sich am Donnerstag intensiv mit den Erkenntnissen der 6. Kirchenmitgliedschafts-Untersuchung (KMU) der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auseinandersetzte. Prof. Dr. Kristin Merle, Geschäftsführende Direktorin und Professorin für Praktische Theologie an der Universität Hamburg, leitete nach einem kurzen Interview durch Pastor Dr. Daniel Rudolphi, Referent für Religiosität und Weltanschauungen im HkD, in das Thema ein.
Merles Vortrag basierte auf den Ergebnissen der KMU 6, die im Herbst 2022 vom renommierten Forsa-Institut durchgeführt wurde. Diese Studie, repräsentativ für die Bevölkerung ab dem 14. Lebensjahr in deutschen Privathaushalten, gewährte durch knapp 600 Fragen Einblicke in die gegenwärtige Lage der Kirchen und Religiosität in Deutschland. „Zum ersten Mal wurden nicht nur evangelische Kirchenmitglieder und Konfessionslose, sondern auch Katholiken einbezogen. Zudem wurden neue Fragestellungen zu Themen wie Klimaschutz und politischen Einstellungen eingeführt, was die Studie umfassender und aussagekräftiger gestaltete“, so die Professorin.
„Kirchliche Religiosität geht zurück. Die Kunst ist, aus den Ergebnissen der Studie keine schnellen Schlüsse zu ziehen, etwa in Bezug auf die Ressourcen oder Verteilung von Finanzmitteln“, sagte Merle und präsentierte die Ergebnisse gegliedert in Themen Haltungen zu den Kirchen, Mediatisierung religiöser Kultur, Populismus, Kulturalismus, Intoleranz und die Praxis der Kirchenmitgliedschaft. Bei dem Verhältnis zwischen Online- und Offline-Gottesdiensten reflektierte die Professorin: „Trotz des verstärkten Einsatzes digitaler Formate sind viele kirchliche Aktivitäten weiterhin stark von pastoralen Rollen geprägt und gehen nicht vollständig auf die neuen digitalen Kommunikationsbedingungen ein.“ Des Weiteren hob sie die Krise traditioneller kirchlicher Semantik und das Vertrauen in die Kirche als Institution hervor.
Im Anschluss eröffnete Merle eine Diskussion zu den zentralen Konsequenzen aus der KMU. Die Teilnehmenden, darunter Mitarbeitende des HkD, Vertreter aus Kirchenkreisen, dem Zentrum für Seelsorge und Diakonie Niedersachsen, nahmen aktiv an der Diskussion teil und brachten unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen aus ihren Praxisfeldern ein. Dabei wurden auch positive Aspekte der KMU 6 diskutiert. Pastorin Angela Grimm, Direktorin des Zentrums für Seelsorge der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, zeigte sich erfreut über die herausgearbeitete Bedeutung von Seelsorge und Lebensberatung, die dank der Untersuchung deutlicher sichtbar wird. Ann-Marie Reimann, Referentin für jugendpolitische Bildung im Landesjugendpfarramt, hob die Notwendigkeit der Jugendarbeit hervor, die zu einer frühen kirchlichen Sozialisation beiträgt und ebenfalls positiv in der Untersuchung bewertet wurde. Ein anregender Austausch fand beim Thema „Evangelisches Profil im ökumenischen Kontext“ statt. Insgesamt bot die Veranstaltung eine Plattform für einen offenen und respektvollen Dialog über die Rolle der Kirche in der Gesellschaft und die aktuellen Herausforderungen, denen sie gegenübersteht.
„Die heutige Diskussion war ein wichtiger Schritt in Richtung einer vertieften und konstruktiven Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der KMU 6 und ihrer Implikationen für die Zukunft der Kirchen in Deutschland“, sagte Pastor Mirko Peisert, Direktor des Hauses kirchlicher Dienste. Er beendete die Veranstaltung mit dem Ausblick auf weitere Vorträge und Diskussionen im „HkD Foyer“, um die Dynamiken von Religiosität und Kirchenmitgliedschaft besser zu verstehen und darauf zu reagieren.