Der Ökumene-Experte Oliver Schuegraf knüpft als Oberkirchenrat in Hannover Verbindungen zu Kirchen in aller Welt. Besonders hat es ihm England angetan. Jetzt wurde Schuegraf zum neuen Landesbischof von Schaumburg-Lippe gewählt.
Bückeburg. Alles Englische mag er besonders. „Wenn Engländer sehr gut ihre Sprache beherrschen, können sie viele Dinge noch prägnanter ausdrücken als wir im Deutschen“, sagt der Theologe Oliver Schuegraf (54). Und das komme auch dem berühmten britischen Humor zugute. Dreieinhalb Jahre lang war Schuegraf Pastor im englischen Coventry – für ihn beruflich und privat eine prägende Zeit. Künftig wartet auf den derzeitigen Oberkirchenrat aus Hannover eine Aufgabe, die mindestens genau so prägend sein wird: Schuegraf wird neuer evangelisch-lutherischer Landesbischof in Schaumburg-Lippe.
Das Parlament der kleinen Landeskirche an der Grenze von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wählte den Ökumene-Experten am Donnerstagabend in der Bückeburger Stadtkirche einstimmig in ihr höchstes Leitungsamt. Schuegraf, einziger Kandidat bei der Bischofswahl, übernimmt damit die Nachfolge von Karl-Hinrich Manzke (65), der Ende Februar in den Ruhestand gehen wird. Im kommenden Frühjahr wird der promovierte Theologe sein neues Amt antreten. „Ich freue mich sehr und bin neugierig auf diese neue Aufgabe, die Sie mir anvertraut haben“, sagte er an die Synodalen gewandt.
Schuegraf stammt aus der bayrischen Landeskirche, geboren und aufgewachsen ist er in Würzburg. „Weinberge sind für mich Heimat“, sagt er und blickt schmunzelnd durch die blaue Brille, sein Markenzeichen. „Im Herzen bleibt man immer irgendwie ein Franke.“ Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, schon bald seinen Horizont zu erweitern: Mit 15 Jahren ging er als Austauschschüler in die USA. „Da habe ich mir mein amerikanisches Englisch angewöhnt, das geht jetzt nicht mehr raus.“
Später absolvierte Schuegraf ein ökumenisches Studienjahr an der katholischen Dormitio-Abtei in der Altstadt von Jerusalem. „Da bin ich infiziert worden mit dem ökumenischen Virus, und den bin ich dann nicht mehr losgeworden“, erzählt er: „Ich finde es spannend, nicht nur zu sehen, was man selbst denkt, sondern in die Weite zu blicken und zu erfahren, dass Menschen auch völlig anders denken können.“ Dafür gibt es aus seiner Sicht jedoch eine wichtige Voraussetzung: „Bei aller Weite braucht es eine tiefe Verwurzelung in der eigenen Position und im eigenen Glauben.“
Mit dieser ökumenischen Erfahrung im Gepäck wurde Schuegraf später Studierenden-Seelsorger an der Universität Coventry in England. Das Land, die Sprache und die Menschen mit ihrer hingebungsvollen Pflege von Traditionen, Parks und alten Herrenhäusern zogen ihn rasch in ihren Bann. In Coventry wurde der Theologe auch Koordinator der Internationalen Nagelkreuzgemeinschaft, einem weltweiten Netz von Kirchen, die sich für Frieden und Versöhnung einsetzen.
Die Gemeinschaft geht auf die Zerstörung der Kathedrale von Coventry 1940 durch die deutsche Luftwaffe zurück. In den Trümmern der ausgebrannten Kirche fand sich damals ein Haufen Nägel, die einst das Gebälk zusammengehalten hatten. Ein Priester setzte sie zu Kreuzen zusammen. Ein Nagelkreuz ziert heute auch Schuegrafs Schreibtisch in Hannover.
„Versöhnung kann man nicht erzwingen“
Von Coventry aus entspann sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein großes Netzwerk, zu dem heute rund 300 Kirchen gehören, darunter 75 aus Deutschland. Auch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin und die Dresdener Frauenkirche gehören dazu. „Besser zusammenleben können wir, wenn Versöhnung gelingt, im Kleinen wie im Großen“, sagt Schuegraf – eine Art Lebensmotto für ihn. „Aber Versöhnung kann man weder jemandem vorschreiben noch erzwingen.“
Seine Leidenschaft für die Ökumene ebnete ihm 2008 auch den Weg nach Hannover zur Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und zum Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes. Hier widmet sich der Theologe seither intensiv dem Gespräch mit der römisch-katholischen Kirche und pflegt Beziehungen zu Kirchen in aller Welt. „Vielleicht werde ich nie ein richtiger Norddeutscher“, sagt er. „Aber ich fühle mich heimisch und sehr wohl hier.“
Die Anfrage für das Bischofsamt sei für ihn selbst überraschend gekommen, habe ihn aber zugleich erfreut: „Als Bischof nah bei den Menschen zu sein, und trotzdem eine Weite zu spüren, die über ein Pfarramt hinausgeht – das finde ich schon sehr spannend.“