Frau Dallmeier, Sie leiten seit zwei Jahren für die hannoversche Landeskirche den Arbeitsbereich Kindergottesdienst am Michaeliskloster in Hildesheim. Was sind aus Ihrer Erfahrung Fragen, die Kinder nach Gott und der Welt stellen?
Dallmeier: Kinder fragen nach Halt, sie wollen gesehen und angesehen werden. Wer hat mich lieb? Bist du für mich da? Sicher war die Frage nach dem, was trägt, schon immer wichtig für Kinder, und schon immer war es wichtig, dass Erwachsene Halt und Vertrauen schenken. Andererseits erleben wir nach Corona, dass Kinder unsicherer sind als früher, sich weniger zutrauen, dass z.B. Kinderfreizeiten zögerlicher angenommen werden, weil Kinder nicht auswärts schlafen möchten. Wenn wir sagen können: Ich habe dich lieb – und Gott hat dich auch lieb, Gott sieht dich an und ist für dich da, dann stärken wir die Kinder in ihrem Innersten.
Wie sollten Erwachsene, seien es nun Eltern oder Kita-Mitarbeitende, religiöse Fragen beantworten?
Dallmeier: Explizit religiöse Fragen stellen Kinder oft dann, wenn wir mit ihnen in religiösen Themen unterwegs sind oder aber, wenn in ihr Leben Unvorhergesehenes einbricht wie der Tod eines Tieres oder eines nahen Menschen. Deshalb ist es gut, wenn wir als Erwachsene, ob als Eltern oder Kita-Mitarbeiterinnen, den Kindern diese Themen anbieten, ihnen Geschichten aus der Bibel erzählen oder den Friedhof mit ihnen besuchen, und so den religiösen Fragen überhaupt Raum geben. Und wenn ich selbst mal eine Antwort nicht weiß, kann ich das dem Kind auch sagen, z.B.: „Ich weiß nicht genau, wo Gott wohnt, aber ich spüre, dass Gott bei mir ist.“ Nicht selten überraschen uns Kinder dann mit ihren eigenen religiösen Vorstellungen, die auch für Erwachsene tröstlich sein können: „Der Opa ist jetzt ein Stern am Himmel ganz nah bei Gott."
Es gibt mittlerweile sehr unterschiedliche Formen des Kindergottesdienstes. Hat sich ein Modell als besonders vielversprechend herausgestellt?
Dallmeier: Die Vielfalt ist tatsächlich groß, und deshalb spreche ich mittlerweile auch eher von „Kirche mit Kindern“ als allein von „Kindergottesdienst“. Das einheitliche Erfolgsmodell gibt es nicht, aber zwei Beobachtungen: Zum einen suchen heutige Familien „Quality time“ mit ihren Kindern und nutzen dafür gern Familienkirchen-Angebote. Und zum anderen habe ich selbst gute Erfahrungen gemacht mit projektartigen Formaten, in denen der eigentliche Kindergottesdienst Teil eines größeren Ganzen ist, wie etwa der Vorlese-Abend, der mit einer Bibelgeschichte startet, bevor alle ihre Lieblingsbücher herausholen, oder die Kirchenübernachtung, die am nächsten Tag mit einem Familiengottesdienst abschließt.
Was raten Sie Gemeinden, die mit dem Kindergottesdienst neu starten wollen? Wie werden Ehrenamtliche am besten gewonnen?
Dallmeier: Auch im Kindergottesdienst erleben wir, dass die Menschen sich nicht mehr so lange und regelmäßig binden wollen. Ehrenamtliche wollen angesprochen werden, machen mit, wenn sie selbst „etwas davon haben“: Die Mutter, deren Kind gerade lesen lernt, unterstützt den Vorleseabend, der frisch Konfirmierte plant gern die Nachtwanderung für die Kirchenübernachtung mit – und übernimmt dann auch die Fürbitten im Gottesdienst. Daher mein Rat: Klein anfangen! Lieber zwei gut beworbene Projekte mit motivierten Ehrenamtlichen im Jahr als eine regelmäßige Veranstaltung, bei der alle hinterher gefrustet sind, wenn nur wenige Kinder kommen. Der Kontakt zur Kita und zur örtlichen Grundschule ist dabei sehr wichtig, wobei hier besonders die Hauptamtlichen gefragt sind.
Welche Eindrücke nehmen Sie von Fortbildungen mit, die Sie durchführen?
Dallmeier: Wir haben unlängst im Dom zu Verden einen bunten, nachdenklichen, fröhlichen, stärkenden Tag erlebt mit Ehren- und Hauptamtlichen, denen die Kirche mit Kindern am Herzen liegt. Die geistliche Weggemeinschaft mit Kindern trägt. Die Frage ist: Wer ist hier mit wem unterwegs: Die Kinder mit uns oder wir mit den Kindern? „Werdet wie die Kinder“, sagt Jesus, und stellt sie uns als Vorbild hin. Für die Zukunft des Kindergottesdienstes bzw. der Kirche mit Kindern brauchen wir Räume und Zeiten, um miteinander geistlich unterwegs zu sein, und natürlich Menschen – Ehren- und Hauptamtliche – die sich mit auf den Weg machen. Denn Kinder schenken uns heilige Momente.