Hannover/Braunschweig. Die evangelische Ethik-Expertin Petra Bahr sieht eine mögliche Legalisierung bestimmter Formen der Leihmutterschaft in Deutschland mit Skepsis. Eine gesetzliche Regelung, die verschleierte Machtverhältnisse erkenne und dem Kind eine Beziehung innerhalb der gespaltenen Elternschaft dauerhaft ermögliche, sei äußerst anspruchsvoll, sagte die hannoversche Regionalbischöfin dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Rande eines Vortrags am Donnerstag in Braunschweig. Bahr ist seit 2020 Mitglied des Deutschen Ethikrats.
Ob Geld im Spiel sei oder nicht, sei gar nicht so entscheidend, sagte die promovierte Theologin. Altruistische und kommerzielle Motive mischten sich oft. Die Gefahr der „Kolonialisierung des weiblichen Körpers“ sei auch bei der besten Motivation aller Beteiligten nicht gebannt. Schon der Begriff „Leihmutterschaft“ trage Spuren dieser Gefahr in sich: „Was man leiht, will man zurückgeben. Mutterschaft besteht aber auch in dieser Konstellation ein Leben lang.“
Aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung geht hervor, dass die Ampel-Regierung eine Überprüfung der altruistischen, also uneigennützigen Leihmutterschaft erwägt, um kinderlosen Paaren Nachwuchs zu ermöglichen. Sie ist bislang in Deutschland verboten. Ein Gesetzentwurf der Koalition liegt allerdings noch nicht vor. Grundsätzlich sei es nötig, dass diese Frage geprüft werde, sagte Bahr. „Die Reproduktionsmedizin hat sich in den vergangenen 30 Jahren weiterentwickelt.“
Reproduktionsmedizinische Unterstützung sei für viele Paare selbstverständlich geworden, führte die Ethikerin aus. Das Leid der Kinderlosigkeit werde anerkannt, auch das Leid von Männern. „Wir brauchen aber eine neue Debatte um die reproduktive Selbstbestimmung und ihre Grenzen“, betonte sie. „Selbstbestimmung“ erfahre einen schleichenden Bedeutungswandel, von einem Abwehrrecht gegen den Staat, der Menschen in ihre Familienplanung nicht reinzureden habe, hin zu einer Leistungsforderung an die Gesellschaft.
Bahr mahnte, bei der ethischen Bewertung stets die Perspektive des Kindes und der Leihmutter im Auge zu behalten: „Was bedeutet es für die Familienkonstellation, wenn etwa die jüngere Schwester die austragende Mutter und auch die Tante eines Kindes ist?“ Es gebe ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, und diese sei elementar für ein Kind. „Das verkompliziert sich natürlich, wenn es zum Beispiel noch eine Eizellspenderin und einen Samenspender gibt.“ Es könne dann bis zu fünf elterliche Positionen geben, die für ein Kind bedeutsam sein könnten.
„Reproduktionsmedizin denkt zu einseitig vom Glück der Eltern her“, kritisierte Bahr. Sie betonte jedoch auch: „Hinter allen Versuchen dieser reproduktionsmedizinischen Zugänge steckt in der Regel eine Leidensgeschichte.“ Paare, die bereit seien, sich auf eine Leihmutterschaft einzulassen, hätten in der Regel vorher alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft.
Stichwort Leihmutterschaft
Von einer Leihmutterschaft wird gesprochen, wenn sich ein Paar ein Kind wünscht, aber selbst keines bekommen kann, und das Baby von einer anderen Frau, der sogenannten Leihmutter, austragen lässt. Es gibt viele Gründe, eine Leihmutterschaft zu beauftragen. Das können hormonelle Störungen, eine fehlende Gebärmutter oder Krankheiten sein, die es einer Frau unmöglich machen, schwanger zu werden. Darüber hinaus kann Leihmutterschaft etwa für homosexuelle Männer oder Alleinstehende, die sich ein Kind wünschen, eine Option sein.
Grundsätzlich unterscheidet die Medizin zwischen verschiedenen Arten der Leihmutterschaft. Bei der sogenannten Gestationsleihmutterschaft lässt sich eine Frau, die selbst nicht schwanger werden kann, eine Eizelle entnehmen. Diese wird im Labor in einer sogenannten In-Vitro-Fertilisation im Reagenzglas mit den Samenzellen ihres Partners befruchtet und dann einer Leihmutter eingesetzt.
Wenn sich beispielsweise zwei Männer ein Kind wünschen oder die Wunschmutter über keine eigenen Eizellen verfügt, werden von einer weiteren Frau Eizellen entnommen und mit dem Spermium des Mannes befruchtet, um sie dann der Leihmutter einzusetzen. Die Leihmutter ist somit häufig nicht genetisch mit dem Kind verwandt, um spätere juristische Schwierigkeiten zu vermeiden. In seltenen Fällen stammen die Eizellen von der Leihmutter selbst.
In der Diskussion um Leihmutterschaft wird des Weiteren zwischen altruistischer und kommerzieller Leihmutterschaft unterschieden. Bei der altruistischen Leihmutterschaft erklären sich Leihmütter freiwillig und aus selbstlosen Motiven bereit, für ein anderes Paar ein Kind auszutragen. Bei der kommerziellen Leihmutterschaft werden die Frauen für ihre Schwangerschaft entlohnt.
Rechtlich wird die Leihmutterschaft weltweit unterschiedlich bewertet und gehandhabt. In Deutschland sind die im Zusammenhang mit Leihmutterschaft stehenden Tätigkeiten, etwa von Ärzten oder Hebammen, nach dem Embryonenschutzgesetz strafbar. Ebenfalls verboten ist die Vermittlung einer Leihmutterschaft. Nicht strafbar machen sich hingegen die sogenannten Wunscheltern. Im Ausland ist die Rechtslage zur Leihmutterschaft unterschiedlich. In einigen Ländern ist die Leihmutterschaft ganz oder unter bestimmten Einschränkungen erlaubt, so zum Beispiel in der Ukraine, in Großbritannien oder in Indien.
Die genetische Abstammung eines Kindes aus einer Leihmutterschaft begründet nach deutschem Recht grundsätzlich kein rechtliches Abstammungsverhältnis zu den Wunscheltern. Mutter eines Kindes ist nach deutschem Recht stets die Frau, die es geboren hat, also die Leihmutter und nicht die Wunschmutter. Das gilt auch für die Gestationsleihmutterschaft und kann nur durch eine Adoption des Kindes geändert werden.