Alles hat seine Zeit

Andacht zum Altjahresabend
Sanduhr
Bild: Pixabay

Die Autorin

Dr. Sybille C. Fritsch-Oppermann ist Pastorin in Hannover.
Bild: Thomas Block
Dr. Sybille C. Fritsch-Oppermann

Dr. Sybille C. Fritsch-Oppermann ist Pfarrerin em. der EKHN, Lyrikerin und Religionswissenschaftlerin, sie lebt und arbeitet in Windheim-Petershagen und Hannover.

Zeit ist ein großes Geheimnis.

Aus dem Nachdenken über Zeit entwickeln wir eine ganz besondere Aufmerksamkeit für Gottes Welt und seine Geschöpfe. Wir hören zu, wir halten aus, wir umarmen, wir wachsen.

Alles, was wir tun, tun wir dann in Ruhe und aufmerksam.

Keine Hektik, nicht zuviel auf einmal.

In der Zeit, in die Gott uns als seine Abbilder entlassen hat, machen wir Sinn. Wir hören auf, Getriebene zu sein, wir hören auf, flüchtig zu sein und flüchtig zu handeln. Wir hören auf, vor uns selbst zu fliehen in Zerstreuung.

Unsere Sterblichkeit und Einzigartigkeit führt uns dann auf uns selbst zurück – und damit auf Gott.

Aus dem Nachdenken über dieses Geheimnis spülen wir an Land wie aus einem Ozean und erkennen, dass es ein göttliches Wunder ist, dass etwas ist und nicht nichts. Wir lernen zu begreifen, dass unser Leben eine Einübung ist in Gottes Reich des Schalom jenseits von Zeit und Raum. Wir Menschen sind viele ins Sein entlassene Abbilder des ewigen Gottes. Unsere Größe kann es sein, in aller Endlichkeit Zeichen dieser ewigen Liebe und Schönheit zu werden.

Ja, es ist gut, wenn unser Leben ein Ziel hat. Es ist gut, wenn wir am Ende dieses Jahres ein Resümee ziehen unseres Wirkens und Handelns. Es ist gut, wenn wir uns Ziele setzen für das neue Jahr, das ganz frisch und unberührt vor uns liegt.

Aber wir wissen auch, dass wir hier keine bleibende Statt haben. Das muss uns nicht schrecken, das ist eher eine unverbrüchliche Gnadenzusage, die uns davor bewahrt, zu Sklaven und Sklavinnen unserer Vergangenheit und Zukunft zu werden.

Der Händler

(Antoine de Saint-Exupérys Buch „Der kleine Prinz“ online, Kapitel 23. Übersetzung ins Deutsche von Alexander Varell: https://www.exuperysprinz.de/text/23-kapitel/)

»Guten Tag«, sagte der kleine Prinz.
»Guten Tag«, sagte der Händler.
Es war ein Händler, der durststillende Pillen verkaufte. Man schluckt eine Pille pro Woche und hat kein Bedürfnis mehr zu trinken.
»Warum verkaufst du das?«, sagte der kleine Prinz.
»Das bringt eine große Zeitersparnis«, sagte der Händler. »Experten haben dies berechnet. Man kann dreiundfünfzig Minuten pro Woche einsparen.«
»Und was macht man mit diesen dreiundfünfzig Minuten?«
»Man macht damit, was man will …«
»Ich würde«, sagte der kleine Prinz, »wenn ich mir dreiundfünfzig Minuten erspart hätte, gemütlich zu einem Brunnen gehen …«

Gnadendeiche

Felder abgemäht
Welt abgemüht
Kahler Boden Frost und Ruh
Wolkentürme immerzu
Ebbe und Flut
Eis und Glut...
Welt braucht ein Neues
Sabbathjahr
Menschen verschnaufen
Menschen verschenken
sich an den Frieden
Recht aufgerichtet
Gnadendeiche
aufgeschichtet
Hoffnung wird wahr

Predigttext,
Prediger 3,1–15
1 Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: 2 Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; 3 töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; 4 weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; 5 Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; 6 suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; 7 zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; 8 lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit. 9 Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon. 10 Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen. 11 Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. 12 Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. 13 Denn ein jeder Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. 14 Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll. 15 Was geschieht, das ist schon längst gewesen, und was sein wird, ist auch schon längst gewesen; und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.
Sybille C. Fritsch-Oppermann