Der Film „Das Schweigen“ von Ingmar Bergman war ein Skandal, als er vor genau 60 Jahren in Deutschland aufgeführt wurde. Die Reisenden Ester, ihre Schwester Anna und deren Sohn Johan stranden im Nirgendwo. Dort verstehen sie die Sprache nicht. Es wird Krieg vorbereitet. Gezeigt wird ein Zustand der Angst, Verwirrung und Hilflosigkeit in und zwischen den drei Personen. Nichts drängt nach Geborgenheit. Eine Aura eisiger Kälte und unterschwelliger Bedrohung herrscht.
Die Vorgänge werden ereignisarm, still und frei von Katastrophen erzählt. Selbst explizite Sexualität wirkt kühl und distanziert. Die Strenge dieses Schwarz-weiß-Films zeigt allgemeine Existenznot und zwischenmenschliche Entfremdung. Gott ist fern. Sein Schweigen lastet auf einer Welt, die jeden Sinnzusammenhang verloren hat. Einzig das Kind Johan birgt Hoffnung, weil es Fragen stellt und freundlich ist. Die letzten Bilder zeigen Johan, in dessen Blick der Wunsch geschrieben scheint, die Welt und ihr Geschehen zu begreifen.
Für die meisten Kritiker war der Film die erschütternde Vision einer Welt ohne Gott. Andere sahen in ihm nur scheinbaren Tiefsinn. Besonders heftig war die Reaktion auf einige Szenen sexuellen Inhalts. Vielleicht konnten sich die Menschen vor 60 Jahren ein Leben nicht gut vorstellen, in dem es Sex gibt, aber keinen Sinn.
Heute dürfte vielen das weniger schwer fallen. Gottes Schweigen ist lauter geworden. Karfreitag – Jesus stirbt und darauf gibt es keine Antwort. Ist Gott längst gegangen? Wir wissen: Manchmal ist es besser, zu bleiben und zu schweigen, wenn man keine Antwort hat. Gott ist so grundsätzlich Mensch geworden, so vorbehaltlos ist er hineingestiegen in unser eigenes Menschsein.
Gottes Schweigen ist unsere eigene Sprachlosigkeit. Auch das ist ein Akt unfassbarer Liebe in einer Welt, in der der Mensch sich ausschließlich selbst zu erklären wünscht. Jetzt heißt es, die dunkle Seite Gottes hinzunehmen, die wir so gar nicht lieben. Das ist ein ungeheurer Kampf. Eigentlich wollten wir doch die Welt besser machen, wir Esters, Annas und Johans. Nun konfrontiert uns Gott immer noch mit der Stille von Karfreitag.
Markusevangelium 16,33–37