Eine Hoffnung, die über diese Nacht hinausführt.

Andacht zur Christvesper

Der Autor

Landesbischof Ralf Meister Kloster Loccum
Bild: Insa Hagemann
Landesbischof Ralf Meister

Ohne Wirt geht es nicht. In jedem Krippenspiel hat er seinen großen Auftritt.
Mit aufgemaltem Bart, manchmal auch mit Schürze und Schiebermütze, steht er breitbeinig vor der verschlossenen Tür seiner Herberge. „Nein, hier ist kein Platz für euch!“ Barsch verweist er Maria und Josef. Keine schöne Rolle. Einen Engel oder Hirten zu spielen ist meistens wesentlich beliebter. Doch ohne Wirt würde dem Krippenspiel etwas fehlen.

Dabei kommt er in der Weihnachtsgeschichte gar nicht vor. In der Bibel heißt es:
„Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“ (Lukas 2,7). Vom Wirt keine Spur. Ist er so wichtig, dass wir ihn erfinden müssen?

Der Wirt steht im Weg. Damit bringt er viel unserer täglichen Lebenserfahrung in die
Geschichte. Sie ist nicht rührselig, sondern realistisch.

Wie vieles steht uns im Weg! Verhindert, dass wir unbeschwert in einen fröhlichen Heiligen Abend gehen können. Eine Krankheit, die nicht weichen will. Existenzsorge, die auf der Stelle treten lässt. Liebeskummer, der den Blick in die Zukunft versperrt. Kriegsmeldungen, die bedrohliche Schatten werfen und Angst ausstreuen. Lauter Lebensbegrenzer, Lebensverhinderer. Verschlossene Türen für das Hoffnungsvolle und die guten Nachrichten. Es steht uns viel im Weg, bringt Stillstand und Sorgen. Wie soll es weitergehen?

In manchen Krippenspielen redet die Wirtsfrau ihrem Mann gut zu. In anderen beginnt er zu zögern, legt sein rabaukenhaftes Auftreten ab und zeigt Josef und Maria den Weg in den Stall. Menschlichkeit scheint auf. Ein Herz bleibt nicht für immer verhärtet. Wege öffnen sich, anders als erwartet. Gott kommt in Jesus Christus zur Welt, armselig, schäbig. Aber nichts kann ihn aufhalten. Er bahnt sich seinen Weg und ruft uns zu: Ich bin da und gehe mit euch. Bringt eure Tränen, eure Sorgen. Hier an der Krippe haben sie ihren Platz. Und dann brecht wieder auf mit einer Hoffnung, die weit über diese Nacht hinausführt.

Die Zuversicht dieser alten Geschichte reißt uns aus dem Kerker der Sorge. Für manch einen oder eine mag das nur eine Festtagsfassade sein. Für mich ist das mehr. Es ist die Gewissheit, dass Gott uns niemals loslassen wird, nicht in all unseren Sorgen und unseren Ängsten. Türen öffnen sich, gegen jede Erwartung, und wir leben Tag um Tag in der Gastfreundschaft Gottes. Seit dieser ersten Heiligen Nacht ist nichts mehr gleichgültig, er beherbergt uns durch alle Zeiten.

Biblischer Text,
Lukas 2
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt.

Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Landesbischof Ralf Meister