Eine Operation am offenen Herzen

Andacht zum Sonntag Jubilate
Gott selbst ist der Chirurg: „Ich will euch ein neues Herz geben.“
Bild: Pexels/Karolina Grabowska

Der Autor

Pastor Simon Laufer
Pastor Simon Laufer

Simon Laufer ist Pastor in Iselersheim und Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Bremervörde-Zeven.

 

„Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“ Das Mark Twain (fälschlich) zugeschriebene Zitat drängt sich an diesem 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus auf. Um den Preis eines unglaublichen Blutzolls rückte die Rote Armee nach Berlin vor und befreite Deutschland von den Nationalsozialisten. Heute begehen Stalins Erben einen Völkermord an der Ukraine – niederträchtigerweise ebenfalls im Namen der „Entnazifizierung“.

Fassungslos, ohnmächtig und wütend schauen wir auf die entfesselte Brutalität. Das Wort von Hegel bewahrheitet sich vor unseren Augen: „Wir lernen aus der Geschichte, dass wir nicht aus der Geschichte lernen!“ Warum sind Menschen so? Wie kann es sein, dass Menschen ihre Menschlichkeit und die Achtung vor Wert und Würde des anderen verlieren und zu Barbaren werden?

Im ersten Buch der Bibel, das von den ersten Generationen der Menschen berichtet, kommt der Schöpfer selbst zum ernüchternden Fazit: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf“ (Genesis 8,21). Das ist zunächst: Feststellung, Beobachtung, nüchterne Erkenntnis. Es ist das Resümee nach der Sintflut, dem großen Gericht über die Menschen. Der Beginn von etwas Neuem.

Es heißt nicht, dass Menschen nicht immer wieder auch Gutes tun. Aber es heißt, dass die Wurzel des Bösen im Menschen selbst liegt, dass er seine Freiheit immer auch zum Schlimmsten missbrauchen kann.

Gott bleibt nicht bei der Resignation. Er wirbt um seine Geschöpfe, er ruft sie zur Umkehr, zum Guten. Das tut er bis heute. Eine bloße Verhaltensänderung bleibt dabei Oberflächenkosmetik. Es braucht eine Operation am offenen Herzen. Gott selbst ist der Chirurg. „Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben.“ (Hes 36,26)

Es ist nicht irgendein Herz. Es ist das Herz des Vaters, das er uns durch Jesus Christus zeigt und durch den Heiligen Geist in uns schafft.

Mich schmerzt deshalb besonders, dass die russisch-orthodoxe Kirche den Vernichtungskrieg des Putin-Regimes segnet – ähnlich wie weite Teile der deutschen Kirchen in den beiden Weltkriegen. Sie nennt Böses gut und verrät das Evangelium.

Als Deutsche können wir dankbar dafür sein, dass die Alliierten uns 1945 vom Nationalsozialismus befreit haben – mit den Mitteln, die dafür nötig waren. Das Umdenken der Deutschen – der neue Geist, der kam dann nach und nach.

Vor autoritären Versuchungen sind wir heute genauso wenig gefeit wie alle anderen Völker. Die Umkehr zum Guten ist bleibende Aufgabe, das ganze Leben soll eine ständige Neuausrichtung auf Gott sein (These 1 von Luther).

Neue Herzen, einen neuen Geist brauchen die Völker dieser Welt. Brauchen wir alle. In Russland allerdings ist zur Zeit eine Notoperation nötig, damit nicht noch mehr Blut sinnlos vergossen wird. Bitten wir Gott darum, dass er eingreift und neue Herzen schenkt. Und tun solange, was nötig ist, um der Ukraine zu helfen, mit allem, was wir haben.

Amen.

Der Text zur Andacht,
Hesekiel 36,26
„Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben.“
Simon Laufer