Fernwärme aus Fruchtgummi
Gut 35 Zentimeter dick sind die Stahlrohre, die neben der Bonnus-Kirche in Bersenbrück liegen. In einigen Monaten werden sie das Gemeindehaus und die Kirche mit Fernwärme versorgen, ebenso wie über 400 weitere Gebäude in der Kleinstadt im Landkreis Osnabrück. Gerade heben Tiefbautrupps in vielen Gärten Gräben aus, in die sie später die Rohre absenken werden. Dass die massiven Leitungen in erster Linie auf privaten Grundstücken verlegt werden, ist eine Besonderheit. „Vor einigen Jahren wurde die Kanalisation erneuert und damit auch die Straßen. Sie jetzt alle wieder aufzureißen, war keine Option“, erzählt Dr. Christian Struve. Er ist Geschäftsführer der Firma Fernwärme BSB, die das Netz baut und betreiben wird.
Im Gemeindehaus stellt er im Gespräch mit Landesbischof Ralf Meister, Johannes Beisel, Pastor der Bonnus-Kirchengemeinde, und Kirchenvorsteher Thorsten Kaiser die Idee vor, die hinter der BSB steht. Für Meister ist es eine weitere Station auf seiner Klimatour. In unregelmäßigen Abständen besucht er Projekte und Initiativen, die beispielhaft sind im Einsatz gegen den Klimawandel.
Der Impuls für das Fernwärmenetz kam vom örtlichen Unternehmer Johannes Hinkamp. Er betreibt mit seiner Firma bereits seit 2005 ein Fernwärmenetz. Die Energie dafür stammt aus der Vergärung von Produktionsabfällen namhafter Süßwarenhersteller wie Haribo oder Storck. Eine Erweiterung des bestehenden Wärmenetzes konnte er mit seinem Unternehmen aber nicht stemmen.
Hier kam Christian Struve ins Spiel, der vor einigen Jahren für Hinkamp als Berater tätig gewesen ist. Ihn überzeugte die Idee, weitere Haushalte in Bersenbrück an das Netz anzuschließen, um sie mit Energie zu versorgen, die lokal produziert wird. Er wurde Geschäftsführer der BSB Fernwärme, hinter der eine Bürgergemeinschaft steht. Einzelpersonen, aber auch Unternehmen aus Bersenbrück können sich mit einer Mindesteinlage von 5.000 Euro beteiligen. Aber auch wer nicht Gesellschafter wird, kann sich natürlich an das Fernwärmenetz anschließen lassen. 1.000 Euro kostet ein Anschluss, der künftig den Bezug von Wärme möglich macht, die eine preiswerte und nachhaltige Alternative zur bisherigen Versorgung mit Gas oder Öl darstellt.
700 Haushalte könnten mit dabei sein, wenn der Netzausbau abgeschlossen ist. 483 Verträge sind bereits unterschrieben, bei über 300 möglichen Kundinnen und Kunden steht eine Antwort noch aus. „Da hat auch die Diskussion um das Heizungsgesetz für Irritationen und Zurückhaltung gesorgt“, berichtet Christian Struve. Nach der Verabschiedung des Gesetztes ist er zuversichtlich, dass die Zahl der Kundinnen und Kunden wachsen wird. Der große Vorteil für die Endverbraucher ist, dass nur verhältnismäßig geringe Anpassungen an den bestehenden Heizungsanlagen notwendig sind, es muss keine neue Heizung angebaut werden.
Die Bauarbeiten sowohl für die eigentliche Energieproduktion, die das Unternehmen von Johannes Hinkamp realisiert, wie auch für den eigentlichen Netzausbau gehen gut voran. Parallel zu den Anschlussarbeiten werden gerade zwei neue Blockheizkraftwerke gebaut, um das Biomethan, das aus der Vergärung der Produktionsfälle von Gummibären und Schokolade entsteht, in Wärme und Strom umzuwandeln. Zusätzlich entsteht noch ein großer Biomassekessel, in dem künftig durch die Verbrennung von Holzabfällen Wärme erzeugt werden soll. Gespeichert wird die Wärme in einem riesigen Warmwasserspeicher, der auch gerade gebaut wird.
„Natürlich wollen und müssen wir auch Geld verdienen mit dem Fernwärmenetz“, sagt Christian Struve. Eine Rendite zwischen vier und sieben Prozent sieht der Businessplan für die Gesellschafter vor. Aber wichtig ist ihm auch eine sichere und nachhaltige Versorgung mit Wärme und dem Ziel, jedes Jahr 3,2 Millionen Kilogramm CO2 einzusparen. „Und hinter unserer Firma stehen Menschen und Unternehmen hier aus Bersenbrück, kein großer Energiebetreiber.“
„Ich finde, dass das ein großartiges Beispiel dafür ist, was im Rahmen der Energiewende möglich ist“, sagte Landesbischof Ralf Meister. „Besonders überzeugt mich, dass die Initiative für eine wirklich nachhaltige Energieversorgung von den Menschen hier vor Ort gemeinsam getragen und umgesetzt wird. Das ist beeindruckend.“
Auch Pastor Johannes Beisel unterstrich, dass der Anschluss an das Fernwärmenetz für die Kirchengemeinde ein wichtiger Baustein ist auf dem Weg, um wirksam CO2 einzusparen. Er und Kirchenvorsteher Thorsten Kaiser wollen jetzt im Kirchenvorstand überlegen, ob sich die Kirchengemeinde künftig als ein weiterer Gesellschafter an der Betreiberfirma beteiligt. „Das wäre ein starkes Zeichen, wenn wir als Kirche Teil so einer gemeinsamen Initiative werden würden“, unterstützt Landesbischof Meister diese Überlegung.