Neuer Religionsunterricht in Niedersachsen nimmt Gestalt an

Zwei männlich zu lesende Personen sitzen an einem Tisch und tauschen lächelnd einen unterschrieben Vertrag aus. Im Hintergrund sind weiblich und männlich zu lesende Personen zu sehen.
Bild: Jens Schulze

Seit vier Jahren arbeiten die Kirchen in Niedersachsen daran, die Fächer Evangelische Religion und Katholische Religion durch einen gemeinsam verantworteten Unterricht zu ersetzen. Im Schuljahr 2025/2026 soll es endlich soweit sein.

Hannover. In Niedersachsen haben die evangelische und die katholische Kirche am Donnerstag den Weg für ein neues, fortschrittliches Modell beim Religionsunterricht freigemacht. Dabei übernehmen die beiden großen Kirchen nach eigenen Angaben zum ersten Mal in Deutschland gemeinsam die Verantwortung für das Fach. Bei einer Feierstunde in Hannover unterzeichneten sie dazu eine grundlegende Vereinbarung. Danach sollen Schülerinnen und Schüler beider Konfessionen beginnend mit dem Schuljahr 2025/26 gemeinsam in Religion unterrichtet werden. Bisher wird der Religionsunterricht in der Regel nach Konfessionen getrennt erteilt. Dieser Unterricht soll durch das neue Fach „Christliche Religion“ schrittweise ersetzt werden.

Der Oldenburger evangelische Bischof Thomas Adomeit sprach bei der Feier in der Neustädter Hof- und Stadtkirche von einem „Schlüsselmoment“ und von einem „Zeugnis gelebter Ökumene“: „Das neue Unterrichtsfach bringt die katholische und die evangelischen Kirchen näher zusammen, ohne das Eigene der jeweiligen Konfessionen zu verwischen.“ Aus Sicht des Hildesheimer katholischen Bischofs Heiner Wilmer ist das neue Fach ein „wegweisendes Modell“ und hat Pilotcharakter. Nach Artikel 7 des Grundgesetzes muss der Religionsunterricht „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt werden.

Zwar gibt es in einigen Bundesländern bereits weitergehende Modelle, bei denen alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von Konfession oder Religion am Unterricht im Themenfeld Religion und Ethik teilnehmen, so etwa in Bremen, Berlin oder Brandenburg. Dort wird das Fach jedoch aufgrund verfassungsmäßiger Besonderheiten vom Staat angeboten, ohne direkte Rückkopplung mit den Kirchen. Niedersachsen dagegen geht auf dem sonst bei den Ländern üblichen Weg nach Artikel 7 nun einen Schritt weiter. Einen Sonderweg im bundesweiten Vergleich geht Hamburg, weil der Religionsunterricht dort auch Juden, Muslime und Aleviten mit einbezieht.

Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) gratulierte den Kirchen und sprach von einer wegweisenden Vereinbarung. „Ein gemeinsam verantworteter christlicher Religionsunterricht ist gerade in der aktuellen Zeit ein wichtiges zeitgemäßes Zeichen für Dialog und Kooperation und bildet die Vielfalt in unserer Gesellschaft ab“, sagte sie. Schülerinnen und Schüler könnten über Vielfalt und Unterschiede nachdenken sowie Respekt und Toleranz gegenüber anderen entwickeln. Das Fach stärke so demokratische Werte. Auch der Landesschülerrat, die SPD und die Grünen im Landtag begrüßten das Modell.

Der gemeinsame Religionsunterricht wird nach den bisherigen Plänen im August 2025 in den Klassen 1 und 5 beginnen. Jahr für Jahr soll er dann aufsteigend in den Klassen eingeführt werden, bis eine flächendeckende Abdeckung erreicht ist. Neue Lehrpläne für Grundschulen und weiterführende Schulen werden zurzeit erarbeitet, weitere für die Oberstufe und die Berufsbildenden Schulen sollen folgen. Zuvor hatten alle fünf evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen und alle vier dort vertretenen katholischen Bistümer den Plänen zugestimmt. Die Kirchen hatten mehr als vier Jahre lang an der Übereinkunft gearbeitet.

Das neue Fach, das offiziell „Christliche Religion nach evangelischen und katholischen Grundsätzen“ heißt, soll den sogenannten konfessionell-kooperativen Unterricht weiterführen und ablösen. Dabei konnten evangelische und katholische Schüler bereits seit 1998 auf Antrag an einzelnen Schulen gemeinsam von einer evangelischen oder katholischen Lehrkraft unterrichtet werden. Dieses Modell habe sich seither zunehmender Beliebtheit erfreut, erläuterte die evangelische Oberlandeskirchenrätin und Bildungsexpertin Kerstin Gäfgen-Track. Es wird nun zur Regel erklärt und rechtlich untermauert. „Wir brauchen einen Neuansatz“, sagte Gäfgen-Track.

Das neue Fach soll wie schon der bisherige Unterricht offen für alle Schülerinnen und Schüler sein - auch für diejenigen, die einer anderen Religion oder keiner Kirche angehören. Sie können auf eigenen Wunsch daran teilnehmen. Nach Angaben der Kirchen nehmen in Niedersachsen aktuell 66 Prozent der Schüler an einem christlichen Religionsunterricht teil, das sind rund 536.000 Kinder und Jugendliche. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die einer Kirche angehören, liegt derzeit bei 53 Prozent.

Die Grünen im Landtag bezeichneten die Vereinbarung als „historischen Schritt“. Mit dem neuen Modell setzten die Kirchen bundesweit Maßstäbe. Der Schülerrat sieht darin ein „starkes Zeichen für Dialog und Verständigung“ und eine Chance für mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft. Beide betonten, dass der Unterricht offen für andere Religionen und Weltanschauungen sein müsse.

epd Niedersachsen-Bremen