Die Ampel-Koalition hat sich die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen vorgenommen. Bis zu nächsten Wahl bleibt noch ein knappes Jahr, um das Vorhaben umzusetzen. Es dürfte schwierig werden, weil sich die Länder gegen die Ablösung sträuben.
Berlin. Es fing vielversprechend an, doch seit rund einem Jahr stocken die Verhandlungen über die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Die Ampel-Regierung ist die erste seit Gründung der Bundesrepublik, die ein Ende der Zahlungen im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat. Bis zur nächsten Bundestagswahl haben SPD, Grüne und FDP noch ein Jahr Zeit, den mehr als 100 Jahre alten Verfassungsauftrag umzusetzen. Ob es gelingt, ist angesichts der angespannten Haushaltslage fraglich. Das Vorhaben aufgegeben hat die Ampel aber noch nicht. Im Bundestag wird an einem Gesetz gearbeitet.
Staatsleistungen erhalten die Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Das Grundgesetz enthält einen aus der Weimarer Reichsverfassung übernommenen Auftrag, diese Zahlungen abzulösen. Möglich wäre dies etwa durch Einmal- oder Ratenzahlungen.
In jedem Fall geht es um viel Geld: Mehr als 600 Millionen Euro fließen aktuell jährlich an die katholische und evangelische Kirche. Eine Ablösung dürfte – je nach verhandeltem Ablösefaktor – mehrere Milliarden Euro kosten, und zwar die Länder. Denn die Bundesländer sind es, die entsprechende Verträge mit den Kirchen geschlossen haben. Der Bund wiederum müsste die Grundsätze für die Ablösung definieren.
Wegen dieser schwierigen Ausgangslage hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor zwei Jahren in einer Arbeitsgruppe alle Beteiligten aus Bund, Ländern und Kirchen an einen Tisch geholt. Ziel war, sich auf Eckpunkte für ein Gesetz zu Grundsätzen der Ablösung zu verständigen.
Dazu kam es nicht. Große Bundesländer sagten vor dem Hintergrund der angespannten Kassenlage im vergangenen Jahr Nein zur Ablösung, darunter Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg. Er sehe keine Veranlassung, auf eine grundsätzliche Änderung der rechtlichen Gegebenheiten hinzuwirken, sagte auch kürzlich der nordrhein-westfälische Regierungschef Hendrik Wüst dem epd. Mit den Worten „kein vordringliches Thema“ beantwortete die hessische Staatskanzlei, die derzeit den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz innehat, eine epd-Anfrage zum Thema Staatsleistungen.
Die Fachpolitiker der Ampel planen indes weiterhin, noch in dieser Wahlperiode ein Grundsätzegesetz zu verabschieden. Es solle „zeitnah“ vorgelegt werden, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, dem epd. „Auch angesichts der Kirchenaustritte können die Staatsleistungen auf lange Sicht immer weniger gerechtfertigt werden“, sagte der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Fraktion, Lars Castellucci. Er verwies darauf, dass die Kirchen selbst eine Ablösung anstrebten. „Je länger wir warten, desto unbefriedigender ist dies für die Kirchen, was auch alle Beteiligten wissen“, sagte er.
Mittelfristig sei die baldige Ablösung für die Länder günstiger als die Fortsetzung der Staatsleistungen, sagte die religionspolitische Sprecherin der FDP, Sandra Bubendorfer-Licht. Geäußerte Befürchtungen, wonach bei einer Ablösung den Kirchen Mittel für Bildung oder soziale Fürsorge fehlten, bezeichnete sie als „Nebelkerzen“: „Die Ablösemodalitäten würden allen Beteiligten eine sehr großzügige Flexibilität einräumen“, versprach sie.
Im Bundestag reicht für die Verabschiedung eines Gesetzes die Mehrheit der Ampel-Fraktionen. Ein zustimmungspflichtiges Gesetz könnte aber der Bundesrat stoppen. Ob im Bundestag auch die Union für das Vorhaben zu gewinnen ist, ist offen. „Entscheidend für das Gelingen ist, dass es im guten Konsens zwischen staatlicher Seite und den Kirchen geschieht“, sagte der religionspolitische Sprecher der Fraktion, Thomas Rachel (CDU), dem epd. „Es muss gerecht zugehen: Sowohl für die Kirchen, die einen rechtlichen Anspruch auf eine gerechte Entschädigung haben; als auch für die Länder, die diese erheblichen Mittel letztlich aufwenden müssen.“
So sieht es auch Anne Gidion, die die Interessen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gegenüber der Bundespolitik vertritt. „Auch wenn wir klar für ein Bundesgrundsätzegesetz eintreten, muss gerade bei dieser komplexen Materie Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen“, sagte sie. Die berechtigten Anliegen von Kirchen und Bundesländern müssten „in produktiven Einklang“ gebracht werden: „Sonst führt es zu keiner guten Lösung.“