Missbrauchsbetroffene fordern Rücktritt von Landesbischof Meister
Unmittelbar vor Beginn der hannoverschen Landessynode fordern Missbrauchsbetroffene, dass der Landesbischof sein Amt niederlegt. Sie sehen ihn in der Verantwortung für Versäumnisse im Umgang mit Missbrauch. Der Bischof lehnt einen Rücktritt ab und erhält Unterstützung aus der Konföderation.
Hannover. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister ist mit einer erneuten Rücktrittsforderung Missbrauchsbetroffener konfrontiert. Er müsse aus einem unzureichenden Umgang der Landeskirche mit Missbrauchsfällen Konsequenzen ziehen, heißt es in einem am Mittwoch vor Beginn der Tagung der hannoverschen Landessynode veröffentlichten offenen Brief: „Die einzige verantwortungsvolle Option ist der Rücktritt von Landesbischof Meister.“
Meister sagte am Rande der Tagung dem Evangelischen Pressedienst (epd), er lehne einen Rücktritt weiterhin ab. Er nehme die in dem Brief formulierten Vorwürfe ernst und befrage sich fortlaufend, wo er Fehler gemacht habe. Diese würden einen Rücktritt nicht rechtfertigen, betonte Meister, auch angesichts der Solidarität mit ihm, mit der die anderen kirchenleitenden Organe auf den Brief reagiert hätten. Er habe auf den offenen Brief bereits geantwortet. „Ich bin sofort und gerne bereit, mit den Betroffenen zu sprechen und lade sie dazu sein.“
Bereits im März hatte eine Missbrauchsbetroffene den Rücktritt des 62-Jährigen gefordert. Der Theologe steht seit 2011 an der Spitze der größten der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Die kirchenleitenden Gremien stellten sich indessen hinter den Bischof. Sie seien überzeugt, „dass Ralf Meister seiner Verantwortung als Landesbischof gerecht wird, auch, indem er Fehler im Umgang mit Betroffenen eingeräumt und konkrete Verbesserungen eingeleitet hat“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
Sie ist verfasst vom Präsidenten der Landessynode, Matthias Kannengießer, vom Kollegium des Landeskirchenamtes, vom Bischofsrat und vom Vorsitzenden des Landessynodalausschusses, Jörn Surborg. Sie stünden dafür ein, dass es einen grundlegenden Kulturwandel und strukturelle Veränderungen in der Kirche geben werde. Surborg sagte in seinem Bericht vor der Synode, die Kirchenleitung stehe vor der großen Aufgabe, neues Vertrauen zu gewinnen.
Die Betroffenen machen Meister insbesondere für Versäumnisse in der landeskirchlichen Fachstelle für sexualisierte Gewalt verantwortlich. Auch nach einer Neuaufstellung 2021 würden Betroffene „weiterhin sehr negative Erfahrungen“ mit der Fachstelle machen, heißt es in ihrem Brief. Mails würden nicht oder nur schleppend bearbeitet, Daten teilweise ohne Zustimmung weitergegeben und „Betroffenen wird immer noch nicht geglaubt, wenn die Täter noch im Dienst sind“. Die Betroffenen werfen dem Bischof zudem vor, er habe sich nie persönlich bei ihnen entschuldigt.
In ihrer gemeinsamen Erklärung übernahmen die kirchenleitenden Gremien die Verantwortung für Mängel in der Fachstelle. Sie hätten die Unterbesetzung der Fachstelle bis 2021 nicht früh genug erkannt. „Dieses bedauern wir sehr.“ Mittlerweile sei die Fachstelle aber auf Initiative des Landesbischofs personell aufgestockt worden. Meister habe zudem Fehler im Umgang mit den Betroffenen eingeräumt und mittlerweile eine Reihe von Gesprächen mit Betroffenen geführt.
Der Brief wurde unmittelbar vor viertägigen Beratungen der Landessynode veröffentlicht, die am Mittwochnachmittag im Kloster Loccum bei Nienburg begann. Er wurde für die „Initiative “Sexualisierte Gewalt in der Landeskirche Hannovers: Meisterhafte Vertuschung beenden!" von den Betroffenenvertretern Dörte Münch, Horst E., Kerstin Krebs und Katharina Kracht unterzeichnet. Sie nehmen Bezug auf eine Rücktrittsforderung der unter Pseudonym auftretenden Missbrauchsbetroffenen Lisa Meyer aus dem März. Meyer hatte maßgeblich die Aufklärung von Missbrauchsfällen in der evangelischen Kirchengemeinde Oesede bei Osnabrück vorangetrieben. Sie war in den Jahren 1973 und 1974 als Elfjährige von einem angehenden Diakon dieser Kirchengemeinde mehrfach schwer missbraucht worden.
In dem Brief vom Mittwoch heißt es: „Als Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend unterstützen wir die Forderung von Lisa Meyer.“ Landesbischof Meister habe die Bedeutung des Themas sexualisierte Gewalt nicht erkannt.
Erst am Dienstag war ein Brief bekannt geworden, in dem mehr als 200 evangelische Pastorinnen, Diakone und kirchliche Mitarbeitende die Leitung der hannoverschen Landeskirche für deren Umgang mit Missbrauchsfällen kritisieren. Sie seien entsetzt über das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der Kirche und den Umgang damit bis in die jüngste Vergangenheit, schreiben sie. „Das Verhalten kirchenleitender Verantwortlicher hat unser Vertrauen in die Kirchenleitung beschädigt“, heißt es in dem Schreiben. Landesbischof Meister hatte darauf mit Verständnis reagiert.
Konföderation unterstützt Meister nach neuerlicher Betroffenen-Kritik
Aus Sicht des Betroffenenvertreters Detlev Zander sind Rücktrittsforderungen an Bischof Ralf Meister aus Hannover wegen des Umgangs der Kirche mit Missbrauch berechtigt. Der Oldenburger Bischof Adomeit sagte am Donnerstag, er wolle Meister den Rücken stärken.
Hannover (epd). Der Sprecher der Betroffenen sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Detlev Zander, hat Rücktrittsforderungen gegen den hannoverschen Landesbischof Ralf Meister als berechtigt bezeichnet. Wenn Meister im Amt bliebe, wäre der Aufarbeitungsprozess gestört, sagte Zander dem Norddeutschen Rundfunk nach einem Bericht vom Donnerstag. Unterdessen versicherte der Oldenburger Bischof Thomas Adomeit, er werde Meister den Rücken stärken. Zu der Rücktrittsdebatte wollte er sich nicht äußern.
Zander sagte über Meister: „Die Fehler, die er zugegeben hat, macht er jetzt wieder.“ Es sei ein Armutszeugnis, wie mit Betroffenen umgegangen werde. Der Bischof müsse sich fragen, ob er noch der Richtige sei, oder ob er Platz machen solle für wirkliche Reformen und wirkliche Aufklärung. Meister sei der Kirche ebenso wie den Betroffenen sexualisierter Gewalt einen Neuanfang schuldig.
Adomeit, der auch Ratsvorsitzender der evangelischen Kirchen in Niedersachsen ist, sagte am Donnerstag, er nehme es Meister ab, dass dieser das Thema sexualisierte Gewalt in der Kirche sehr ernst nehme. „Dass er es sich zu Herzen nimmt.“ Zu den Diskussionen in der hannoverschen Kirche werde er sich jedoch nicht positionieren, sagte Adomeit weiter. Aber er habe „ein großes Vertrauen, dass auch unsere Schwestern und Brüder in Hannover ordentlich mit dem Thema umgehen“.
Es sei mutig, dass in Hannover begonnen worden sei, darüber zu reden. Damit sei ein Anfang gesetzt, gut mit dem Thema umzugehen. „Das Schweigen ist das größte Problem.“
Meister lehnt einen Rücktritt ab. Er nehme die in dem Brief formulierten Vorwürfe ernst und befrage sich fortlaufend, wo er Fehler gemacht habe. Diese würden einen Rücktritt nicht rechtfertigen, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch am Rande der Synodentagung seiner Landeskirche in Loccum (Wortlaut siehe unten).