„Sexarbeiterinnen nicht zu Opfern erklären“

Drei Fragen an Landesfrauenpastorin Susanne Paul zur Prostitution
Bild: privat
Susanne Paul ist Landespastorin für Arbeit mit Frauen im Haus kirchlicher Dienste in Hannover.

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Hannover/Berlin. Durch einen Vorstoß der Unionsfraktion im Bundestag ist das Prostitutionsgesetz wieder in die Diskussion gekommen. Die Situation der bundesweit rund 250.000 Prostituierten sei dramatisch, sagt die stellvertretende Fraktionschefin Dorothee Bär (CSU). Die Frauen sind aus Sicht der Union oft schutzlos und werden ausgebeutet. Die allermeisten kämen aus dem Ausland, und nur ein Bruchteil sei behördlich angemeldet. Bär fordert ein Verbot von käuflichem Sex nach schwedischem Vorbild. Dort werden nicht die Prostituierten bestraft, sondern die Käufer von Sexualdienstleistungen. So könne die Zahl der Prostituierten deutlich zurückgehen. Die evangelische Landesfrauenpastorin Susanne Paul aus Hannover mag der Forderung allerdings nicht folgen und sieht die Situation anders.

Frau Paul, befürworten Sie den Vorschlag von Frau Bär?

Susanne Paul: Nein, ich befürworte den Vorschlag nicht. Zunächst einmal müssen Sexarbeit, Zwangsprostitution und Menschenhandel auseinandergehalten werden. Mit der Diakonie Deutschland sehe ich die Bekämpfung von Menschenhandel und die Verhinderung von Gewalt und Ausbeutung in der Prostitution als wichtige Aufgabe an. Dies wird allerdings nicht durch eine Verbotspolitik erreicht. Sie hat nicht das Wohl der Frauen im Blick.

Welche Folgen hätte aus Ihrer Sicht ein „Sexkaufverbot“?

Paul: Die Frauen würden durch ein solches Verbot generell zu Opfern erklärt, und ihre Arbeit würde mehr gefährdet, weil sie ins Verborgene abgedrängt würde. Dies fördert nicht die Sicherheit ihrer Arbeitsbedingungen. Beratungsstellen können dazu aus der Corona-Zeit einiges erzählen.

Ist die Idee der rot-grünen Bundesregierung von 2002, die Prostitution zu liberalisieren und zu einem geregelten Gewerbe zu machen, gescheitert?

Paul: Ich finde die Idee sinnvoll, ebenso ihre Fortführung im Prostitutionsschutzgesetz von 2017. Es gilt, Sexarbeiterinnen, die diese Arbeit, oft durchaus von prekären Lebenssituation beeinflusst, als freie Entscheidung übernehmen, nicht zu Opfern zu erklären und ihnen mit Respekt gegenüberzutreten. Dazu gehören Fachberatungsstellen und verbesserte gesundheitliche Versorgung genauso wie die Bemühungen, die sozial prekären Situationen zu verbessern. Hier besteht noch eine große Lücke zwischen Gesetz und Umsetzung.

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epd-Gespräch: Michael Grau