„Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht“
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Überall Rauch, glühende Kohlen. Die Sinne vernebelt. Und doch ahnt der Prophet Jesaja mehr als er sieht: den Saum des Mantels Gottes, der den ganzen Tempel erfüllt. Sieht die Serafim, seine engelhaften Begleiter. Und er hört etwas:
Gott ist anders, dreimal anders. Und alle Lande sind seiner Ehre voll.
Gott ist im Tempel. Und der ist schön und wichtig. Aber ein Gebäude kann ihn niemals fassen. Auch eine Kirche nicht.
Die ganze Erde ist sein wunderbares Zuhause. Und doch übersteigt er auch sie.
Alles ist in Gott, Menschen, Lebewesen, sogar die unbeseelte Natur. Alles ist schön durch ihn.
„Einen Gott, den es gibt – gibt es nicht!“ Das hat Dietrich Bonhoeffer einmal gesagt.
„Das Kreuz hat keinen Handgriff“, hat der japanische Theologe Kosuke Koyama ein Buch überschrieben.
„Wenn Du den Buddha triffst, töte den Buddha“, lautet ein zenbuddhistischer Rätselspruch.
Die menschliche Erkenntnis von Gott kann immer nur fragmentarisch und zeitlich sein. Insofern gibt es kein fertiges Bild von Gott in unserer Welt.
Nach jüdisch-christlicher Überlieferung nennt sich Gott selbst „Ich bin, der ich bin“ oder „Ich werde sein, der ich sein werde“. Gott benennt sich als Sein und Werden.
Und er ist das, was uns unbedingt angeht, wie es der Religionsphilosoph Paul Tillich formuliert. Es gibt Zeiten, da können wir nicht mit und nicht ohne ihn. Wir sind verunsichert in unserem Glauben. Wir zweifeln, wir hadern mit Gott. Aber die Sehnsucht bleibt. Tief in unser Inneres ist sie eingepflanzt, diese Suche nach Heil.
Gott ist anders. Dreimal anders. Aber auch wir sind immer wieder anders und neu. Auch, weil wir immer Gottes Abbilder sind und bleiben. Und durch ihn die Chance geschenkt bekommen haben, uns immer neu zu erfinden, uns und ihn neu zu finden. In der Liebe der Menschen zueinander spiegelt sich dieses Geheimnis der Liebe und Gnade Gottes. Darum dürfen wir auch einander nie aufgeben, nie verloren geben. Miteinander gehen wir auf immer Größeres zu.
Jesaja hat diese Wirklichkeit erfahren. Gott ist kein handhabbares Objekt unseres Glaubens und Handelns oder gar unserer Ideologien. Er übersteigt auch mit seiner Gnade und Liebe alles, was wir kennen. Eine Wirklichkeit, die uns trägt und von der wir weitererzählen und deren Wirkung wir vorleben können.
Gott treibt uns um und verwirrt uns. Und: er heilt uns.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Heilig, heilig, heilig.
Amen – das sei gewisslich wahr.
Sybille C. Fritsch-Oppermann