„Ich hatte keine Ahnung, was es alles gibt“
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Wenn Felicitas von Aretin den Begriff „Kloster“ hörte, sah sie Nonnen im schwarz-weißen Habit vor sich. Heute schmunzelt sie darüber. Denn in den vergangenen zwei Jahren hat die promovierte Historikerin fast 30 Frauenklöster besucht. Und über das, was sie dort am meisten faszinierte, schrieb sie ein Buch: „Starke Schwestern“ heißt es und verrät schon ein wenig davon, was die Autorin bei ihrer Reise erlebt hat.
Als junges Mädchen besuchte Felicitas von Aretin ein katholisches Gymnasium, ihre Lehrerinnen waren Nonnen. Und dieses Bild eines Klosters hat sich in ihr festgesetzt. „Wie in den meisten Menschen“, sagt die Autorin. „Das jedenfalls erlebte ich, als ich von meinem Vorhaben erzählte.“ Dass es buddhistische Klöster in Deutschland gibt und evangelische und orthodoxe, wisse kaum jemand – sie eingeschlossen. „Meine Vorstellungen waren völlig veraltet. Ich hatte keine Ahnung, was es alles gibt.“
Eine der größten Überraschungen auf ihren Reisen erlebte die Münchnerin in Niedersachsen: Dort besuchte sie einige Klöster, die eigentlich gar keine sind. Entstanden als Klöster in der Zeit vor der Reformation, sind sie heute Körperschaften öffentlichen Rechts, in denen Frauen in evangelischen Glauben- und Lebensgemeinschaften wohnen. „Dieses Modell fand ich extrem spannend“, sagt von Aretin. 15 Stück solcher Damenstifte gibt es in Niedersachsen.
In einem Konvent tun sich Frauen zusammen, die nach der Phase von Beruf und Familie ansonsten alleine leben würden. „Sie leben eigenständig und doch zusammen, haben mit der Arbeit für das Kloster eine sinnvolle Aufgabe. Das passt gut in unsere heutige Zeit. Der Verzicht auf eine Beziehung wiederum ist für viele sicher etwas, das sie sich nicht vorstellen können.“
Die Frauen leben in eigenen Wohnungen auf dem Klostergelände und zahlen keine Miete, sondern nur Nebenkosten. Im Gegenzug verpflichten sie sich, zum Beispiel Touristen durch das Kloster zu führen oder andere Aufgaben zu übernehmen. Die Leitung von Kloster und Konvent obliegt einer Äbtissin, finanziert werden die Klöster von der Klosterkammer Hannover, einer Sonderbehörde des Landes Niedersachsen.
Die Klöster hüten nicht nur faszinierende Kunstschätze, sondern erhalten alte Handwerke wie das Weben oder die Stickerei lebendig, außerdem die Gartenkultur. „Solche Klöster sind außerhalb von Niedersachsen nicht einmal sehr bekannt.“ Von Aretin spricht daher gern von einer „unbekannten Welt“, wenn sie von ihnen erzählt.
Während die Autorin nach ihren Recherchen davon ausgeht, dass sich etliche der klassischen katholischen Klöster mittelfristig aufgrund von Überalterung und Nachwuchsmangel auflösen werden, hat sie sich in ihrem Buch auf Beispiele konzentriert, die neue Wege gehen. „Viele Klöster befinden sich in Transformationsprozessen“, hat die Historikerin beobachtet. „Die Zukunft gehört denen, die dort hingehen, wo sie gebraucht werden.“
Da sind die katholischen Nonnen, die sich für die Abschaffung der Priesterweihe einsetzen oder gemeinsam mit Studierenden in Wohngemeinschaften leben. Da sind die berufstätigen Benediktinerinnen, die nur abends zusammenkommen. Und da ist die buddhistische Nonne Dagmar Doko Waskönig, die in Hannover lebt und das Zen-Zentrum Dojo Shobogendo leitet.
Klöster üben eine große Faszination auf die Menschen aus, ob gläubig oder nicht. Auch das hat von Aretin bei ihren Reisen beobachtet. „Klöster können daher auch übersetzen: zwischen Christentum und Säkularisierung.“
Am Ende mag es sogar der unscheinbare Ort Walsrode am Rande der Lüneburger Heide gewesen sein, der sie am meisten faszinierte: Dort leitet eine promovierte Völkerrechtlerin seit 2020 das Kloster. Eva von Westerholt hängte nicht nur ein „Willkommen“-Schild ans Tor, sondern öffnet das Haus tatsächlich verstärkt für Gäste, organisiert Konzerte und Kulturveranstaltungen. Und kann sich durchaus noch mehr Öffnung vorstellen: nämlich für die Aufnahme katholischer Frauen in den evangelischen Konvent.
Ideen für die Zukunft nämlich müssen die Frauen allesamt selbst finden. Auch das ist Felicitas von Aretin mit ihrem Buch bewusst geworden: „Es gibt kein Konzept für die Zukunft der Klöster, weder von den Kirchen noch vom Staat aus. Die Transformation und damit die Zukunftsfähigkeit hängt immer an den einzelnen Personen vor Ort.“