Leuchten gegen die Verzagtheit
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Licht kann Halt und Orientierung geben. Ob von den Leuchttürmen bei Nacht auf See oder durch Menschen, die Freundlichkeit und Zuversicht ausstrahlen. Am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit unter dem Motto „Leuchten! 7 Wochen ohne Verzagtheit“.
Manchmal kann ein kleines Licht wieder Mut machen, und sei es nur das Aufleuchten des Handys, wenn eine Antwort der Chat-Seelsorge eintrifft. „Wir bringen Licht in dunkle Seelen“, sagt Daniel Tietjen, Diakon und Leiter der Telefon- und Chatseelsorge in der hannoverschen Landeskirche. Die meisten Hilferufe kämen in den dunklen Abend- und Nachtstunden. Vor allem junge Leute suchten Hilfe bei der anonymen Chatseelsorge, oft erzählten sie von Einsamkeit, Depressionen und Suizidgedanken.
Licht in die Seele bringen – darum geht es auch bei der diesjährigen evangelischen Fastenaktion zwischen Aschermittwoch (22. Februar) und Ostern (10. April). „Leuchten! 7 Wochen ohne Verzagtheit“ ist das Motto. Offiziell wird die Aktion am 26. Februar mit einem ZDF-Gottesdienst in der Oldenburger Kirche St. Ansgar eröffnet.
Im vergangenen Jahr seien bundesweit rund 46.000 seelsorgerliche Gespräche am Telefon und etwa 7.500 Chats geführt worden, sagt Diakon Tietjen. „Wir schaffen Licht, indem wir die Situation aushalten und die Gefühle und Sorgen aus verschiedenen Richtungen beleuchten.“ Dabei gehe es eben nicht darum, schnelle Lösungen parat zu haben. Oft helfe es schon, im Gespräch einen Menschen zu begleiten und Anteil zu nehmen an seinen Sorgen.
Anlässe zur Sorge und Verzagtheit gebe es dieser Tage genug, schreibt der Botschafter der Fastenaktion und hannoversche Landesbischof Ralf Meister im Begleitheft zur Kampagne. Dazu zählten große und kleine persönliche Nöte, der Klimawandel und der schreckliche Krieg in der Ukraine. „Man kann nicht einfach beschließen, all das hinter sich zu lassen“, weiß der Theologe, aber man könne in die schwache Glut der Hoffnung blasen. Wer sich der aufscheinenden Hoffnung zuwende, könne der Verzagtheit ihre Nahrung entziehen. Denn: „Die Verzagtheit lebt von dem Starren ins Dunkel.“
Der Berliner Bio-Psychologe Peter Walschburger betont: „Ohne Licht können wir nicht existieren. Ohne Licht gibt es kein Leben und auch kein inneres Licht der Hoffnung.“ Die Menschen seien – wie die gesamte belebte Natur – auf das lebensspendende Sonnenlicht angewiesen, erläutert der Professor an der Freien Universität Berlin. Es sei notwendig, damit der Körper den Botenstoff Serotonin ausschütte, der aufgrund seiner vitalisierenden Wirkung auch Glückshormon heißt. Dabei sei das Licht der Sonne sogar entscheidender für die Stimmungslage als ihre Wärme.
Die Wirkung von Licht auf das Gemüt ist den Menschen seit uralter Zeit bekannt, erläutert Walschburger. Viele Kulturen feiern die Wintersonnenwende als großes lebensspendendes Hoffnungsfest, weil mit den länger werdenden Tagen sämtliche Funktionen des Körpers gestärkt und das innere Leuchten wieder entfacht wird. Welche positiven Auswirkungen das auf ein gehobenes Lebensgefühl haben kann, hätten die romantischen Dichter am eindrucksvollsten beschrieben.
Das innere Licht von Menschen könne mit „einem milden, dosierten Optimismus und freundlicher Offenheit“ umschrieben werden. „Das wirkt ansteckend“, sagt Walschburger. Wer ein inneres Leuchten in sich trägt, könne dies auf andere Menschen übertragen, sagt der Bio-Psychologe: „Das geschieht ganz einfach über den Augenkontakt und ein leichtes Lächeln.“ Schon ein freundlicher Gruß könne das Gemüt des Gegenübers aufhellen.
Zwar falle das innere Leuchten nicht immer leicht, sagt Walschburger. Was aber in schwierigen Situationen helfen könne, sei ein Perspektivwechsel, etwa ein innerer Abstand zu der bedrückenden Situation und die Frage: „Wie werde ich diese Situation wohl in zwei Wochen bewerten?“ Das sei zwar in der Situation schwer. Doch helfe dabei die Lebenserfahrung und manchmal die Erkenntnis: „Heute ist einfach nicht mein Tag. Es wird schon wieder Licht.“ Für religiöse Menschen könne auch der Glaube durchaus ein regelrechter Stimmungsaufheller sein.
Wohl nicht zufällig ist deshalb in vielen Kirchenliedern vom Licht als Zeichen der Hoffnung die Rede, weiß der Direktor des Evangelischen Zentrums für Gottesdienst und Kirchenmusik im Hildesheimer Michaeliskloster, Jochen Arnold: „Das zieht sich quer durch alle Bereiche des Gesangbuchs.“ Insbesondere in den Advents- und Weihnachtsliedern, aber auch in den Kompositionen zu Ostern und Pfingsten sei Licht allgegenwärtig – als Symbol für „das leuchtende Angesicht Gottes am Ende eines dunklen Tunnels“.
Jörg Nielsen / epd