Beziehungen brauchen Nähe.
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Andacht zum zweiten Sonntag nach Epiphanias
Beziehungen brauchen Nähe. Das gilt für (fast) alle Beziehungen. Für Liebesbeziehungen, für Beziehungen in der Familie, für freundschaftliche Beziehungen, für Beziehungen im Beruf oder im Bekanntenkreis. All diese Beziehungen kommen ohne Nähe nicht aus.
Nähe in den Ansichten darüber, was mir wichtig ist und was auch nicht. Nähe durch den Austausch darüber, was mich gerade beschäftigt. Nähe in der Herangehensweise bei der Lösung von Problemen. Und nicht zuletzt auch körperliche Nähe - in der Paarbeziehung genauso wie das Treffen mit Familie und Freund*innen. Oder der kurze Plausch im Büro zwischen zwei Terminen.
In der Coronazeit haben wir gespürt, wie Beziehungen strapaziert, verändert oder auch zerstört werden können, wenn Nähe fehlt oder auf ein Mindestmaß reduziert wird. So hilfreich in vielen Fällen es auch war, andere Menschen über die Videokonferenz nicht nur hören, sondern eben auch direkt sehen zu können, um so klarer wurde auch mit der Zeit: Ein vollwertiger Ersatz für ein direktes Treffen wird eine Videokonferenz nie sein können - die Nähe ist eine andere.
Dass sich die Nähe in Beziehungen verändert, gehört allerdings dazu. Mal brauche ich mehr Nähe, mal weniger, nicht selten ist es ein Ringen in der Beziehung, um das richtige Maß. Und ganz schwierig wird es, wenn mir das Verhältnis von Nähe und Distanz von außen vorgegebenen wird. Auch das haben wir in der Coronazeit schmerzlich gelernt.
Der biblische Mose ringt auch mit der Nähe. Und zwar in seiner Gottesbeziehung. In den Geschichten, die wir von Mose kennen, ist seine Beziehung zu Gott von Beginn seines Lebens an sehr eng. Schon als er ein Baby ist, sorgt Gott für seine Rettung aus dem Weidenkörbchen im Schilf. Gott begleitet ihn, macht ihn zum Anführer der Israelit*innen und befreit sie aus Ägypten. Irgendwann ist Mose an einem Punkt, wo ihm die Nähe zu Gott nicht mehr ausreicht, er ist in Bedrängnis, fürchtet, dass er der Verantwortung nicht mehr gerecht werden kann, die er übernommen hat. In dieser Situation würde er Gott gerne noch näher sein als bisher, ihm ganz direkt ins Gesicht schauen.
Die richtige Nähe in einer Beziehung ist etwas, das wir immer wieder neu austarieren müssen. Denn wenn die Nähe nicht mehr stimmt, ruckelt es in der Beziehung. Und nicht nur dort: Eine kriselnde Beziehung hat oft Auswirkungen auf ganz viele Bereiche meines Lebens: Wie ich auf Familie und Freund*innen eingehe, wie ich aufmerksam ich bin für die Menschen in meinem Umfeld, wie sorgfältig oder kreativ im Job.
Die Nähe in der Beziehung zwischen Mose und Gott wird dann eine neue. Sie wird jedoch nicht so geregelt, dass Gott sofort und vollständig auf Moses Wunsch eingeht. Nähe in einer Beziehung, die tragfähig sein soll, muss für beide passen. Gott zeigt Mose, wie nah sie sich sind oder in unterschiedlichen Situationen waren. Und schließlich lässt er zu, dass Mose ihn ansieht - allerdings nur von hinten als Gott bereits an ihm vorübergegangen ist.
Offenbar war das eine gute, stimmige Nähe für Mose. Als er nach diesem Austausch wieder zu seinem Volk zurückkehrt, geht ein deutlich wahrnehmbarer Glanz von Mose aus, so schildert es die biblische Erzählung. In seiner Gottesbeziehung hat er die Nähe gefunden, die er in dem Moment braucht, um sein Leben zu gestalten, die Aufgaben und Herausforderungen anzugehen, die vor ihm liegen.
Beziehungen brauchen Nähe. Und es lohnt sich, immer wieder nach der richtigen Nähe zu suchen - in der Beziehung zu den Menschen, die ich liebe, die mir wichtig sind, mit denen ich arbeite - und genauso in meiner Beziehung zu Gott.
Amen.