Party-Weihnachten in Dublin
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In Irland lässt man ungern eine Party aus. Das gilt auch für Weihnachten. Pünktlich zum 1. November wird darum die Gruseldeko von Halloween in den Schaufenstern und Vorgärten gegen Weihnachtsdeko getauscht. Seitdem ist alles im öffentlichen Leben auf Weihnachten eingestellt. Und spätestens zum 1. Dezember stehen in den meisten Wohnungen auch die geschmückten Weihnachtsbäume. „Die Adventszeit lässt sich hier höchstens in den Kirchen erleben“, sagen Florian und Anja von Issendorff. Beide sind Pastorin und Pastor der Evangelisch-lutherischen Kirche in Irland, einer von der EKD unterstützen Auslandsgemeinde, besonders für Deutschsprachige auf der Insel. Gemeinsam mit ihrer sechsjährigen Tochter erleben sie in Irland jetzt erstmals die Christmas Season, also die Weihnachtszeit. Und die genießen die Menschen hier auf der Insel sehr. Dazu gehören Weihnachtspartys, kitschige Weihnachtspullover und -mützen und ganz viel bunte, blinkende Deko. Besonders in der Hauptstadt Dublin ist die Weihnachtsstimmung allgegenwärtig.
Weihnachten ist die Hochzeit der Traditionen und Bräuche und die könnten in Deutschland und Amerika unterschiedlicher kaum sein. So ist im Hause Becker beispielsweise, wie auch schon in Brelingen, der Wichtel Nisse einzogen, hinter dessen kleiner Tür nachts merkwürdige Dinge vor sich gehen. Gemeinsam mit Tochter Henrike hat Debora Becker in der Deutschen Gemeinde, die eine knappe halbe Autostunde entfernt liegt, einen Adventskranz gebunden. „Die letzten zehneinhalb Jahre als Pastorin waren wunderschön, aber in der Vorweihnachtszeit gab es eben auch immer am meisten zu tun“, erzählt Debora Becker. In den USA könne sie sich in den Wochen vor dem Heiligen Abend nun ausgiebig den Kindern und der Familie widmen. An den Adventsonntagen feiert sie gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Tamar per Zoom eine eigene Andacht. Und natürlich hat sie Henrike und Hella einen Adventskalender mit Schnökerkram und kleinen Überraschungen befüllt. „Das ist mal eine Welle, die nicht aus Amerika nach Deutschland geschwappt ist, sondern umgekehrt: Adventskalender gibt es hier neuerdings auch“, sagt die Pastorin.
Am dritten Advent wird die sechsjährige Henrike in der Deutschen Gemeinde bei der Aufführung des Krippenspiels dabei sein. Am 24. Dezember wird die Familie samt Großeltern aber den Spätgottesdienst der amerikanischen Episcopal-Gemeinde in Vienna besuchen. „Zum einen wollen wir nicht so lange fahren, zum anderen vereint die Kirche das Beste aus den Welten der Katholiken und der Protestanten“, erzählt die deutsche Pastorin. „Hier haben wir eine neue Heimat gefunden.“
Während Anja von Issendorff mit ihrem Team versucht, für jedes Kind die passende Rolle zu finden und Texte zu üben, ist ihr Mann Florian auf der Insel unterwegs. Der Kofferraum des Autos ist vollgepackt mit Gesangbüchern, Talar, Abendmahlsgeschirr und vielem mehr – eben jenen Dingen, die in eine mobile Kirche gehören. „Der Dezember ist Reise-Monat“, sagt der 38-Jährige. Er besucht die kleinen Gruppen von Deutschsprachigen, die auf der Insel verstreut leben und feiert mit ihnen in angemieteten Kirchen Gottesdienste. Oft sind es wenige Menschen, die sich hier treffen. Aber alle kommen gerne und nehmen dazu auch lange Anfahrtszeiten auf sich. An diesem Wochenende ist er im Westen an der Atlantikküste unterwegs, dort wo Irland wie auf den Postkarten aussieht, wo es noch nach Torf aus den Kaminen riecht und die Landstraßen meist nur breit genug für ein Auto sind. Die Stimmung ist fröhlich, alle sind schnell im Gespräch. Manche haben sich schon länger nicht mehr gesehen. Und als Florian von Issendorff die Gruppen an den verschiedenen Orten fragt, ob es ein Wunschlied gibt, kommt immer dieselbe Antwort: „O du fröhliche“. Denn das Lied gibt es hier eben nur in einem deutschsprachigen Gottesdienst und hier können sie es endlich wieder gemeinsam singen. Das gehört für sie einfach zu Weihnachten dazu.
Florian von Issendorff bricht gerade von Galway aus zur nächsten Station auf, während die Kinder im Dubliner Gemeindehaus noch etwas aufgeregter sind als sonst: Denn nach der Probe hat sich an diesem Tag noch der Nikolaus angekündigt. Der große Saal ist voll, als plötzlich ein Glöckchen erklingt und der Nikolaus in den Raum kommt. Natürlich kann auch er zwei Sprachen. Auch wenn ihn sonst kaum jemand in Irland kennt – zumindest nicht am 6. Dezember. Als „Santa“ kommt er hier erst am 25. Dezember. Ein Abend vorher wird dann die Kirche und das Lutherhaus aus allen Nähten platzen: Dann wird nämlich endlich das Krippenspiel aufgeführt. Bis dahin müssen aber noch einige Engelsflügel geschneidert, Texte gelernt und Schafe geschminkt werden.
Tanja Niestroj / EMA