Als der Loccumer Pelikan in die Mauser kam
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Wie sieht die Zukunft des Religionsunterrichts aus? Wer bei diesem Thema fundiert mitreden möchte, muss den Loccumer Pelikan lesen. Hier finden sich klug formulierte Gedanken, thematisch und fachlich am Puls der Zeit. Ein Beispiel: „Weil die christlichen Konfessionen im gleichen Wort Gottes ihren gemeinsamen Wahrheitsgrund sehen, wären Schritte zu einer interkonfessionellen Öffnung des RU – wenn darunter nicht die Abschaffung der konfessionellen Rückbindung des RU verstanden wird – nicht nur ein pädagogischer Gewinn, sondern auch theologisch verantwortbar und wünschenswert.“
Was klingt wie ein aktueller Debattenbeitrag zum Christlichen Religionsunterricht, stammt aus der Erstausgabe des Pelikans von 1991. Die deutsche Wiedervereinigung war noch jung und musste organisiert werden. Auch wenn viele Menschen sicher andere Prioritäten hatten – die Frage nach der Daseinsberechtigung des Religionsunterrichts gehörte dazu. Und so gab es viele Stimmen wie etwa den „Braunschweiger Ratschlag“, verkündet anlässlich eines runden Professorengeburtstages. Getreu dem Motto „Ratschläge sind auch Schläge“ stieg der Loccumer Pelikan in Gestalt des späteren Rektors Bernhard Dressler in die Diskussion ein. „Kontroverses – Offen gesagt“ hieß die Rubrik, die es in dieser Form nicht mehr regelmäßig gibt. Womöglich ist die offene Kontroverse für den Pelikan so selbstverständlich geworden, dass es keiner eigenen Rubrik mehr bedarf.
Damals machte der Begriff eines „Religionsunterrichts für alle“ die Runde (nicht zu verwechseln mit dem Hamburger Modell gleichen Namens), heute scheint in Niedersachsen zumindest ein gemeinsam verantworteter Christlicher Religionsunterricht zum Greifen nah zu sein. „Im Prinzip hat sich seitdem wenig geändert“, resümiert Jörg Ohlemacher, der den Loccumer Pelikan als RPI-Rektor 1991 ins Leben rief (siehe Interview auf der Seite „Religionsunterricht in Niedersachsen“).
Das gilt auch für den Pelikan selbst: Er ist seinem Gründungsgeist treu geblieben, Rubriken wie „Grundsätzlich“, „Praktisch“ und „Informativ“ finden sich bereits in der Erstausgabe. Und doch hat er sich in den vergangenen Jahren immer wieder neu erfunden und sticht vor allem mit seiner zeitgemäßen Optik aus der Masse der kirchlichen Publikationen heraus. 1991 gab es noch seitenlange Texte ohne Spalten, Zwischenzeilen und Bilder – heute gelten diese als unlesbar.
Die heutige RPI-Rektorin Silke Leonhard kennt den Pelikan von Anfang an: „Ich hatte ihn als Referendarin schon abonniert und fand es spannend, in die religionspädagogische Großwetterlage eintauchen zu können.“ Dass die Fragen damals ähnliche waren wie heute, wundert sie nicht. „Auch vor 100 Jahren haben sich Religionspädagogen die Frage gestellt, wie man Religion lehrt.“
Und die Macher*innen des Pelikans haben sich stets aufs Neue gefragt, wie sie darüber angemessen berichten können. Seit Heft 2/2009 hat jede Ausgabe ein Schwerpunktthema. Im Vorwort zu jenem Heft schreibt der damalige Rektor Friedhelm Kraft: „Die Redaktion setzt alles daran, das Markenzeichen des Pelikans, die bewährte Verschränkung von vertiefender religionspädagogischer Reflexion und praktischer Anwendbarkeit, konzeptionell umzusetzen.“
Die heutige Redaktionsleiterin Christina Harder führt diesen Weg konsequent fort: „Vieles von dem, was wir heute im Heft haben, hätte ich früher im Pfarramt oder als Lehrerin gut gebrauchen können.“ Besonders hilfreich findet sie „Vorlagen, die ich direkt auf den Kopierer legen kann“. Daneben wird es weiterhin Grundsatzartikel von renommierten Autor*innen geben. Neben den drängenden gesellschaftspolitischen Themen will Harder künftig immer wieder auch theologische Schwerpunkte setzen.
Manche Ausgaben sind längst vergriffen, von anderen schlummern noch Exemplare im Archiv. „Die Hefte zu Themen wie Judentum, Krieg und Frieden oder Medizinethik sind oft nachgefordert worden“, sagt Silke Leonhard. Gleich zweimal, 2010 und 2017, hieß das Titelthema „Gender“. Dazu habe das RPI besonders viele Rückmeldungen bekommen. „Da geht es um Identitätsfragen, das Thema scheint tief in Mark und Bein zu treffen“, vermutet die Rektorin. Natürlich habe es auch Kritik gegeben: ob man denn auf jeden Zug aufspringen müsse? Vergriffen ist auch Heft 3/2014 zum Thema „Kunst im Religionsunterricht“. Auf dem Cover ist ein Mann mit hochtoupierten Haaren und auffälliger Brille zu sehen, auf der Brust trägt er ein Tattoo des dornengekrönten Christus. „Eine Sekretärin hatte ihren Friseur aus Bückeburg fotografiert“, sagt Leonhard, „das Bild war offenbar zugleich provokativ und anregend.“
2017 folgte schließlich ein Riesenschritt in der Heft-Evolution. Oder, wie es Grafikdesigner Marc Vogelsang von der Evangelischen Medienarbeit (EMA) formuliert: „Der Loccumer Pelikan kam in die Mauser.“ Das Bestreben der Herausgeber*innen sei gewesen, den Pelikan in ein moderneres Gewand zu kleiden und den Magazincharakter stärker zu betonen – ohne den Fokus von der inhaltlichen Arbeit zu lenken. „Erreicht haben wir es durch neue Flächenaufteilungen, veränderte Typografie, mehr Wirkkraft der Bilder sowie ein Konzept, das die komplette Farbwelt des RPI berücksichtigt und klare visuelle Trennungen der einzelnen Ausgaben ermöglicht“, sagt der Fachmann. „Am markantesten ist sicher die Titelseite, sie verschafft dem Pelikan ein absolutes Alleinstellungsmerkmal.“ Kernpunkt der Umstellung sei allerdings der Wechsel zu durchgängig farbigen Seiten gewesen, „was dem Magazin im Zusammenspiel mit den genannten Gestaltungselementen eine neue Dynamik verleiht und für eine hohe Wiedererkennbarkeit sorgt“.
Christina Harder hört oft, „der Pelikan ist jetzt so gut geworden“. Eine signifikante Qualitätssteigerung der Inhalte ist damit vermutlich nicht gemeint – die waren von Anfang an hochklassig. Vielmehr ist es die Kurzfassung dessen, was der Designer Vogelsang bezweckt hat, und was seitdem von der Loccumer Layouterin Anne Sator kongenial umgesetzt wird.
Auch der Digitalisierung verweigert sich das RPI nicht. Alle 125 Hefte sind online abrufbar und inzwischen noch besser auf mobile Endgeräte zugeschnitten. „Zugleich werden wir bei vier gedruckten Heften im Jahr bleiben“, verspricht Silke Leonhard.
Lothar Veit / RPI