Startseite Archiv Tagesthema vom 08. September 2022

Taufsteine: Stumme Zeugen des prallen Lebens

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Taufsteine sind stumme Zeugen des Lebens in Kirchen -  Pastorinnen und Pastoren schöpfen aus ihnen bis heute immer wieder neu das Wasser, mit dem sie Kinder und Erwachsene taufen. Aber die oft viele Jahrhunderte alten Becken haben auch darüber hinaus spannende Geschichten zu bieten: Manche dienten als Blumenpott, andere als Viehtränke. So oder so waren sie immer eng mit dem Leben der Menschen verbunden.

Hier trägt ein Engel die Taufschale: Wie alt er genau ist, der Holzengel mit dem goldenen Haar und dem roten Gewand, ist nicht bekannt – wohl aber wird er aus der Barockzeit stammen, etwa um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert.

Die Schale, die der Engel bei Taufen hält, ist alt und wertvoll: Der damalige Küster hat sie der Kirche im Jahr 1646 gestiftet, nachdem die Vorgängerin während des Dreißigjährigen Krieges gestohlen worden war.

In seiner Höhe ist der Engel verstellbar: Wenn Taufen anstehen, wird er herabgelassen – finden Konzerte oder ähnliches statt, schwebt er über der Veranstaltung.

Der Taufengel von St. Lamberti in Nahrendorf (Foto: Carolin George).

Kaum zu glauben: 1846 verbot das zuständige Konsistorium (= die Behörde, durch die der Landesherr sein Kirchenregiment ausübte) Taufengel – und zwar aus ästhetischen Gründen! Die Engel sollten aus den Kirchen entfernt und vernichtet werden. Zum Glück kamen nicht alle Gemeinden dieser Anweisung nach. Wohl dem Ungehorsam!

Das Zuhause des Engels, die Kirche St. Lamberti im Kirchenkreis Lüneburg, hat übrigens gerade den 750. Geburtstag gefeiert – zwei Tage lang mit einem großen Fest. Der Engel selbst wird demnächst restauriert, denn die Farbe beginnt abzublättern.

Carolin George

Wenn das Taufbecken der St.- Petri-Kirche in Burgwedel erzählen könnte, kämen spannende Geschichten ans Licht. Denn der historische Taufstein hat im wahrsten Sinne rund 900 bewegte Jahre auf dem Buckel.

Um 1100 wurden über dem Stein noch Kinder getauft, dann allerdings verschwand das romanische Steinbecken schon bald aus dem Blickfeld der Kirchengemeinde. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte löschte der ortansässige Schmied in dem Becken seine Reifen ab und auch als Viehtränke hat der Taufstein gedient, bevor er in einer alten Scheune abgestellt wurde.

900 Jahre bewegte Geschichte: das Taufbecken von St. Petri in Burgdorf (Foto: Tanja Niestroj).

Erst 1930 entdeckte der damalige Superintendent Johannes Spanuth das mehr als alte Stein-Taufbecken beim Entrümpeln in einer Burgwedeler Schmiede. 1949 bekam der historische Taufstein schließlich wieder einen Platz auf dem Kirchhof – und stand bis Anfang der sechziger Jahre, liebevoll bepflanzt, als Blumenschale vor der Kapelle. Mittlerweile ist er – von Grund auf restauriert - an seinen ursprünglichen Platz im Chorraum der Kirche zurückgekehrt. "Die Reise durch die Vergangenheit ist nicht spurlos an dem Taufstein vorbeigegangen, aber genau diese Ecken und Kanten machen ihn für uns so besonders und wertvoll", sagt Pastorin Bodil Reller.

Tanja Niestroj

Hier ist das Taufbecken älter als die Kirche, in der es steht: Dabei ist St. Nicolai durchaus auch sehr alt, nämlich über 600 Jahre. Ihre ältesten Teile stammen aus dem Jahr 1407.

Das Taufbecken aber ist noch älter: Es wurde 1325 von Meister Ulricus gegossen, also vor unvorstellbaren fast 700 Jahren. Es ist so groß, dass – zumindest theoretisch – ein Kleinkind darin mit ganzem Körper im Wasser getauft werden könnte.

Das Taufbecken von St. Nicolai in Lüneburg (Foto: Carolin George).

Das Taufbecken stand zunächst in einer anderen Lüneburger Kirche, der Cyriakus-Kirche. Die aber wurde 1639 abgerissen, und 1651 kam ihr Taufbecken nach St. Nicolai ins Lüneburger Wasserviertel – übrigens eine der letzten Backsteinbasiliken, also mit einem Mittelschiff, das höher als die Seitenschiffe ist und noch dazu mit einem wunderbaren Sternengewölbe.

Übrigens: Immer mal wieder erzählen Leute in Lüneburg die Geschichte, dass das Wasser in diesem uralten Taufbecken einst mit Holz beheizt wurde. Das stimmt aber nicht. Es hat sogar einmal eine Untersuchung des Bronzebeckens gegeben, sagt der Küster, und es wurden keinerlei Spuren oder Hinweise auf den Wahrheitsgehalt dieser Story gefunden. 

Carolin George
Ein Detail des vor bald 700 Jahren gegossenen Taufbeckens in St. Nicolai Lüneburg (Foto: Carolin George).